Pfarrer Martin schreibend

Im Jahr 2019 habe ich erste Notizen niedergeschrieben und sie „Gedanken eines Stadtpfarrers“ genannt. Die Anliegen habe ich in Form von Briefen fortgesetzt. In Zeiten von WhatsApp, Instagram etc. mag es altmodisch sein, noch Briefe, ausgedruckte und mit der Post verschickte Briefe, zu schreiben, aber ich glaube an die Wirkung des Papiers, das vor mir liegt und für das ich mir Zeit nehmen muss.

Worum geht es? Um Sorgen, die ich als Pfarrer halt so habe. Da ist vor allem der junge Mensch. Meine Überzeugung ist, dass seine Zukunft, sein Mitwirken an der Gesellschaft, seine Liebe und Partnerschaft erfüllter, aufregender und heilsamer ist, wenn er es schafft, aus dem christlichen Glauben zu leben.

Darum höre ich nicht auf, solche Briefe zu schreiben. Wie ein Vater oder eine Mutter, die schon lästig auf die Kinder einreden.

→ Hier können Sie meine ersten Briefe als Heft herunterladen und lesen. Es liegt in gedruckter Form auch in unseren drei Kirchen auf.

Weihnachtsbrief 2021

Zum Weihnachtsfest 2021 wandte sich Pfarrer Martin mit einem Brief an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pfarre Hildegard Burjan. Das große Thema ist Dankbarkeit, vor allem die Dankbarkeit, den Glauben zu haben.


Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserer Pfarre Hildegard Burjan!

Vor kurzem, am 12. Dezember 2021, konnte ich eine Frau aus unserer Pfarre besuchen: zum 100. Geburtstag! Trude Seidl. Stellt euch vor, sie ist im Jahre 1921 geboren. Im Geschichtsunterricht lernen wir mühsam die vielen Fakten der Politik, der Gesellschaft, die Entstehung des Völkerbundes und so weiter. Die ganze Zwischenkriegszeit, die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs mit insgesamt über 60 Millionen Toten. Die Besatzungsmächte, der Wiederaufbau, die Freiheit ab 1955, der zunehmende Wohlstand, die Mondlandung … der Fall des Eisernen Vorhangs. Als Trude Kind war, gab es Gaslampen auf der Straße und das Radio wurde eingeführt. Zum Telefonieren musste man eine Kurbel drehen. Und heute … Trude Seidl hat das alles live miterlebt. Ihr Gedächtnis ist noch unglaublich aktiv. Wenn das Wetter es zulässt, kommt sie jeden Sonntag in die Kirche Schönbrunn-Vorpark!

Ich habe sie gefragt, was ihr am wichtigsten geworden ist. Ihre Antwort:

„Am meisten in meinem Leben bin ich meinen Eltern dankbar, dass sie mir den christlichen Glauben mitgegeben haben. Das Beten, die Bibel und die ganze christliche Kultur. Durch den Glauben an Gott habe ich all die Schwere meines Lebens durchgestanden. Es gäbe ja viel zum Verzweifeln. Zum Beispiel musste mein Mann mit 18 Jahren als Soldat in den Krieg. Er kam zurück, als er 31 Jahre alt war. Stell dir das vor, was das heißt, dass einem jungen Menschen die ganze Jugend geraubt wurde. Er hat nichts von einer normalen Zivilisation miterleben können. Und doch – danach hatten wir eine glückliche Ehe. Den Glauben an Jesus Christus haben wir nie aufgegeben. Dafür danke ich meinen Eltern jeden Tag!“

Liebe Mitwirkende unserer Pfarre!

Von Herzen danke ich euch für euren großartigen Dienst! Ich selber denke oft an meine Zeit als Ministrant, als Sternsinger, als Jugendleiter der Pfarrei zurück. Wunderbare Jahre! Dadurch ist in mir gewachsen, was ich heute bin: Immer noch Ministrant, Sternsinger, Jugendlicher 🙂 – mit kleinen Veränderungen. Wie unsere Frau Trude kann ich sagen: Danke, liebe Eltern, dass ihr mir den Glauben mitgegeben habt! Durch diesen Glauben ist viel entstanden, damit werden wir auch diese Corona-Krise durchstehen.

Von Herzen wünsche ich euch gesegnete Weihnachten, frohe Tage im Kreise eurer Lieben, erholsame Ferien, Freude und Erfolg im Neuen Jahr!
Euer Pfarrer Martin

Besuch bei der afghanischen Botschafterin – Brief zu Beginn des Arbeitsjahres

Im August 2021 besuchte Pfarrer Martin die damalige afghanische Botschafterin in Österreich. Dies veranlasste ihn, einen Brief zum Fest der Kreuzerhöhung 2021 zu verfassen. Er beschäftigt sich mit der schwierigen Situation vieler Jugendlichen und wie der Glaube und wir als Kirche dabei helfen können.


Liebe Gemeindemitglieder!

Vor zwei Wochen habe ich die afghanische Botschafterin Manizha Bakhtari besucht. Das einstündige Gespräch war sorgenvoll. Als wir über die jungen afghanischen Männer, die als Flüchtlinge nach Europa kommen, sprachen, wurde ihre Stimme brüchig: „Diese jungen Leute haben selten die Güte und Wärme einer Familie erlebt, sie kennen wenig vom familiären Umgang, denn sie sind in Flüchtlingslagern rund um Afghanistan aufgewachsen. Ihnen fehlt das Wort der Mutter und des Vaters. Darum gibt es Probleme. Aber sie sind doch Menschen, um die wir uns sorgen.“

Letzte Woche konnten wir einen österreichischen Jugendlichen taufen, der eine schwierige Familiengeschichte hinter sich hat. Im Religionsunterricht aber hat er gespürt, dass der Glaube ihm Halt und Sinn gibt. Er hat sich auf die Taufe und Erstkommunion mit dem Lesen der Bibelstelle vorbereitet: „Jesus nahm Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und reichte es ihnen mit den Worten: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.“

Junge Menschen, die aus dem Glauben heraus ein Ziel und einen Sinn finden, verändern die Welt zum Guten. Sie packen an. Das war auch die Stärke unserer Pfarrpatronin Hildegard Burjan: Sie hat Not gesehen, analysiert und sich für die Schwachen in der Gesellschaft eingesetzt. Sie hat nicht gefragt, was die Anderen tun könnten oder die Politik übernehmen sollte. Sie hat Lösungen entworfen und umgesetzt.

Als Pfarre sind wir ein Ort, an dem das versucht wird. Wir nehmen und geben. Talente, Zeit, Einsatz, Geld. Wir sind sozusagen eine Umverteilstation. Oft ist das mühsam; nicht immer können wir sofort gute Ergebnisse sehen. Aber wir wissen, dass es Früchte bringt, dann können wir auch mit dem Hl. Paulus sprechen: Christus lebt in mir.

Dieses Jahr möchte ich euch zwei Gedanken mitgeben: Das eine ist das Leitbild unserer Pfarre, insbesondere der Punkt, in dem es heißt: Gott schenkt, was wir nicht kaufen können – darum beten wir um seine Hilfe und Kraft. Ohne das Wirken des Heiligen Geistes bleiben unsere Anstrengungen unvollkommen.

Das zweite ist ein Vortrag des im November 2020 verstorbenen Rabbiners Jonathan Sacks, eines intellektuellen Giganten. Seine Antwort auf die Frage: „Wie wir der Zukunft ohne Angst begegnen können?“ ist eine gute Inspiration.

Gottes Segen für dieses neue Schul- und Arbeitsjahr!
Euer Pfarrer Martin Rupprecht

Zum Jahrestag meiner Priesterweihe

Anlässlich des Jahrestags seiner Priesterweihe schrieb Pfarrer Martin im Juni 2021 einen Brief an Freunde und Gönner der Stiftung „Jugend fördern – Grenzen überspringen“.


Liebe Freunde,

Am Sonntag, 27. Juni 2021, ist mein 29. Priesterweihetag! Dazu habe ich mir damals das Bibelwort „Mit meinem Gott überspringe ich Mauern“ aus dem Psalm 18,30 ausgesucht. Nach fast drei Jahrzehnten bin ich Gott unendlich dankbar, dass er mich auf diesen Weg gerufen hat. Dieser Weg, der natürlich immer voll ist von Steinen und Mauern, enthält aber auch die ganze Palette der Schöpfung und des menschlichen Glücks.

Pfarrer Martin im Jahr 1992

Anlässlich des 10-jährigen Jahrestages der Priesterweihe habe ich die Stiftung errichtet. Dieses Unternehmen hat mich mit vielen Menschen aus Afrika und Asien zusammengebracht. Deo gratias!

Seit Anfang Mai haben wir nun eine Filiale in Dar es Salaam (Tansania): „Promoting Youth – Crossing Boundaries“. Ein Stipendiat der Stiftung, Alphonce Leonard, hat auf meine Bitte hin eine Kommission gegründet und führt nun mit ihr im ärmsten Teil der Acht-Millionen-Stadt ein Stipendienprogramm durch. Sie besuchen Schulen und lassen sich von der Direktion jene – hauptsächlich Waisenkinder – nennen, die aus Mangel an Schulsachen oder Geld für Essen wegbleiben. Die fünf Mitglieder der Stiftungskommission (alle wohnen selber in diesem ärmsten Teil der Stadt) besuchen die Kinder zuhause oder im Heim und unterstützen sie im Fortlauf des Schuljahres.

25 Kinder aus Volksschulen wurden nun für ein Stipendium von monatlich 20 Euro bestimmt. Der nächste Schritt wird der Besuch bei höheren Schulen und dann bei der Vorbereitung für die Universität sein. Viele begabte Schüler/innen aus dem Armenviertel können sich das notwendige Schulgeld für die höhere Schule nicht leisten. Wie bei Alphonce selbst, ist eine Weiterentwicklung nur mit einem Stipendium möglich. Auch hier will die Kommission noch 10 Student/innen auswählen. Mehr gibt unser jährliches Budget von 10.000 Euro für die Filiale von Dar es Salaam noch nicht her.

Wichtig sind uns zwei Prinzipien:

  1. Das von der Stiftung erhaltene Stipendium ist kein Almosen für arme Menschen, sondern die Möglichkeit der Ausbildung. Jedem jungen Menschen steht dieses Recht zu. Aus diesem Grund vermeiden wir auch die Patenschaft zu konkreten Kindern. 
  2. Durch die Annahme darf keine neue Abhängigkeit entstehen. Der junge Mensch, der das Stipendium annimmt, soll nicht das Gefühl haben, dass er jetzt einer bestimmten Person lebenslang hörig sein muss. Wenn er später als Dank einen eigenen Beitrag in den Fonds der Stiftung einzahlt, dann als einen persönlichen Impuls für die Förderung anderer Jugendlicher. Unsere Vision ist die Hilfe zur Selbsthilfe.

Im Anhang sende ich euch den Jahresbericht 2020, die Darstellung der Idee von Dar es Salaam und die Übersicht über alle Unterstützungen seit 2002.

Natürlich freue ich mich, wenn jemand für ein oder zwei Kinder ein monatliches Stipendium übernimmt.

Mit der Bitte um euer Gebet
Euer Martin Rupprecht

www.stiftungjugendfoerdern.de 

Wespen am Marmeladenglas

Im Juli 2020 wandte sich Pfarrer Martin mit einem Brief an die Wiener Zeitung. Er betonte darin die Bedeutung der Kirchen bei der Persönlichkeitsbildung von Kindern und Jugendlichen.


Kind auf Sprungtuch

Das ist eine der Stärken unserer Kirchen: die Motivation, die Kombination von Professionalität und Begeisterung, der Geist des Miteinander und Füreinander.

Tausende junge Leute aus den Pfarren warten schon, um mit energiegeladenen Kindern in die Sommerlager zu fahren. Wochen voller Fantasie, Abenteuer, Kooperation, kreativem Gestalten, Theater und Nachtgeländespiel im dunklen Wald.

So wächst die Persönlichkeit der Kinder. Das alles in einem Rahmen, in dem es keine Gewinner und Verlierer gibt (eine Grundregel der Jungschar). Und am Abend im Ritual alles in Gottes liebende Hände legen können. Nichtreligiös könnte man auch sagen: alles wertfrei anschauen und loslassen. Ebenso ein Verinnerlichen von Dankbarkeit.

 

Es sind die kleinen Dinge, die Kindern helfen, Selbstvertrauen aufzubauen. Dietmar etwa, ein etwas pummeliger Bursch, der in seiner Klasse als der Ungeschickte gilt, traut sich, auf der Slackline den Bach zu überqueren. Anna, ein typisches Stadtmädchen, zuckt zusammen, als Wespen um das Marmeladenglas schwirren. „Komm, setz dich her. Sei cool. Warst du noch nie auf Lager?“, ermuntert sie die achtjährige Lena.

Das innere Ziel leitet durch alle Spiele und Abenteuer: Wir lernen, Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen; wir entwickeln Fantasie und testen Grenzen aus; wir brauchen acht Tage lang kein Internet; wir gehen liebevoll und respektvoll miteinander um; wir bewegen die Welt und gestalten sie schöner. Am Ende singen wir: „Es ist schön, solche Freunde zu haben, es ist schön, nicht allein zu sein.“

Danke den tausenden Jungscharleiter/innen, die das alles ermöglichen!

P.S.: Trotz Corona-Zeit konnten wir im Juli 2020 in unserer Pfarre mit 31 Kindern auch in Tagesausflügen das Jungscharleben genießen. Für die Kinder eine einzige Freude, für die Eltern eine große Entlastung.

Pfarrer Martin Rupprecht

Die Sorge um den Religionsunterricht und die vielen Kirchenaustritte

Zum Jahrestag der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils am 11. Oktober 1962 wandte sich Pfarrer Martin mit einem Brief an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pfarre Hildegard Burjan. Er macht sich Gedanken über das Verhältnis der Menschen zur Zugehörigkeit zur Gemeinschaft und über den Religionsunterricht.


Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserer Pfarre Hildegard Burjan!

Heute, am Jahrestag der Eröffnung des 2. Vatikanischen Konzils 1962, drängt es mich euch zu schreiben. Gleichzeitig findet in diesen Wochen in Rom die Amazonien-Synode statt. Papst Franziskus hat viele kirchliche Vertreter und Vertreterinnen des Amazonasgebiets in Südamerika und Fachleute aus der ganzen Welt gerufen, über die Ökologie dieses so wichtigen Gebietes und über das christliche Wirken dort nachzudenken und Entscheidungen zu treffen. Ich bitte euch, betet dafür!

Im Wissen um die Auswirkungen auf das Klima, habe ich trotzdem dieses Jahr drei Reisen unternommen: nach Pakistan, Äthiopien und Tansania. Eine Beobachtung hat mich besonders ermutigt: In all diesen Ländern ist die katholische Kirche eine der konstruktivsten und innovativsten Kräfte. Überall werden katholische Schulen gebaut; mit Disziplin und Tatkraft wird Bildung verbreitet. Für alle Kinder unabhängig ihrer Religion.

Zurück in Österreich fühle ich Freude und großen Schmerz zugleich. Da ist einerseits ein hohes Maß an Engagement in der Pfarrgemeinde und andererseits eine fehlende Solidarität innerhalb der Kirche. Auf zwei Themen möchte ich dabei aufmerksam machen: die Lage des Religionsunterrichts und die dramatischen Kirchenaustritte.

Wir sind in der glücklichen Lage, dass Religionsunterricht in der Schule ermöglicht wird. Bei den vielen Religionslehrer/innen, die ich kenne, kann ich nur staunen über deren Engagement und gleichzeitig die Mühe, der sie ausgesetzt sind. Weil immer weniger Kinder den Religionsunterricht besuchen, fehlen aber die Stunden. Darum sind viele Religionslehrer/innen an drei, vier und fünf Schulen gleichzeitig tätig. Ein Wahnsinn! Es ist kaum möglich, sich noch in den Lehrkörper einzubringen, geschweige denn, eine Kirche zu besuchen. Dazu bräuchte es eine zweite Stunde oder Vorbereitung mit der Pfarre. Das geht aber nicht bei fünf Standorten.

Es schmerzt mich außerordentlich, dass sogar katholische Familien ihre Kinder vom Unterricht abmelden. Ich bitte euch alle, darüber zu sprechen. Wenn schon diese Solidarität innerhalb einer Pfarrgemeinde fehlt, wie soll sich dann etwas aufbauen? Wie können Kinder auf die Erstkommunion oder Firmung vorbereitet werden, wenn dieses Gut des Unterrichts nicht angenommen wird? Noch nie habe ich Bedingungen für diese Vorbereitungen gestellt, aber heute muss ich darauf hinweisen, dass beide Sakramentsvorbereitungen nur dann möglich sind, wenn die Kinder – auch im Jahr davor – am Unterricht teilgenommen haben.

Der nächste schmerzliche Punkt ist der Kirchenaustritt. In unserer Pfarre haben wir ca. 250 Austritte im Jahr. Seit unserer Pfarrgründung vor zweieinhalb Jahren haben wir 601 Gemeindemitglieder weniger. Das ist eine ganze Pfarre auf dem Land. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, dann können wir in sieben Jahren die nächste Kirchenschließung vornehmen. Sollen wir ausknobeln, welche unserer drei Kirchen das sein wird? Erstaunlich dabei ist, dass bei fast jeder zweiten Taufe ein/e ausgetretene/r Katholik/in Taufpate sein möchte. Wie soll das gehen? Ihr bemerkt, dass mich das ziemlich schmerzt.

Kirche ist die Gemeinschaft der Getauften. Wenn ich das sage, denke ich an das Wort von Konrad Adenauer (dem früheren Bundeskanzler von Deutschland): „Alle Menschen gern zu haben, ist einfach. Das Problem ist der blöde Kerl von nebenan.“ Ja, auch in der Kirche gibt es immer den „blöden Kerl“. Immer ist einer da, der etwas anderes denkt, spricht und tut als das, wovon ich überzeugt bin. Kann ich also bei dieser Gemeinschaft dabei sein, die nicht zu 100 %  das tut, was ich mir denke?! Viele fordern Meinungsfreiheit, aber lassen für die Kirche nur das gelten, was ihnen angenehm ist. Die Botschaft Jesu ist aber nicht immer bequem. Sie ist voller Ideal, Vision und Tiefe, die sich nicht sofort verstehen lässt.

Große Gestalten der Kirche haben nie den angenehmen Weg gesucht. Ein heiliger Johannes Don Bosco: Lest einmal seine Lebensgeschichte. Auf Google schnell zu finden. Mühselig hat er begonnen. Heutzutage ist seine Gemeinschaft der Salesianer/innen eine der größten der Kirche. Spielplatz, Schule, Gebet. Das ist sein Motto für alle Kinder dieser Welt. Eine Mutter Teresa. Keinen Tag hat sie ohne Hl. Messe gelebt. Daraus ihre Kraft geschöpft und ihre Begegnung mit Jesus gefunden. Als ich dieses Jahr in Äthiopien ihre Häuser besucht habe, da habe ich vieles in meinem Leben bitter bereut: Wie bequem ich lebe und viele meiner Lieblosigkeiten stechen mir ins Herz. Was wäre die Welt ohne diese Heilige?! Wie gelingt es diesen Schwestern, in der ärgsten Not auszuhalten? Fragt einmal Christl, Kira oder Sascha, die mit mir waren.

Es ist kein Problem, Gründe für einen Kirchenaustritt zu finden. Eine Million Argumente können angeführt werden. Die Schlagzeilen bieten genügend Futter dazu. Wie gegen einen unbeliebten Menschen kannst du Tag und Nacht herziehen. Eine Mutter Teresa würde aber den einen Punkt der Würde und der Liebenswürdigkeit darin finden und an ihn glauben und daran, dass Gottes Geist wirkt. Mit ihm und durch ihn.

Heute habe ich um 13 Uhr vier Kinder von der Schule zum Erstkommunionsunterricht abgeholt, während alle Anderen heimgegangen sind. Eines davon fragt noch: „Wohin geht ihr?“ und voller Stolz antwortete der 9-jährige Mark: „Wir gehen Kirche. Wir bekommen Erstkommunion.“

In dieser Freude und Überzeugung der Erstkommunionkinder, dass uns Jesus etwas gibt, nämlich sich selber in der Gemeinschaft (Kommunion) der Kirche, hoffe ich auf euer Verständnis, euer Vertrauen und Euren Mut,

Euer Pfarrer Martin Rupprecht

Nun hat die Kirche ihre Tiara endgültig abgelegt

Vom 21. bis 24. Februar 2019 berieten 190 Bischöfe und Ordensobere über den Skandal des Missbrauchs in der Kirche. Es gab Zeugnisse von Opfern, Referate, Beratungen in Arbeitsgruppen, einen Bußgottesdienst, bei dem das Versagen der Kirche eingeräumt wurde, und einige konkrete Ansagen des Papstes, was nun weiter zu geschehen habe. Pfarrer Martin analysiert die Folgen.


Liebe Gemeinde!

Als katholischer Priester kenne ich das Denken, das Gehabe, die Verhaltensweisen von Klerikern zur Genüge. Ausgelöst durch ihre tiefe Schuld des Missbrauchs von Kindern, Frauen und Schutzbefohlenen, sowie deren Vertuschung, hat die Kirche aber nun mit Papst Franziskus zu einer neuen Art des Miteinanders und Füreinanders gefunden.

Der von Papst Franziskus einberufene Gipfel über Missbrauch und Kinderschutz hat sich professionell und selbstkritisch dem Thema gewidmet. Dabei waren alle gemeinsamen Sitzungen live zu verfolgen.

Pfarrer Martin Rupprecht

Auch das eine neue transparente, ehrliche Art des ebenbürtigen Umgangs. Opfer, die vor dem Papst und seinen Kardinälen diese kritisieren, hinterfragen, Forderungen an die Kirche stellen – ein wirkliches Novum. Die Aura der Unantastbarkeit, der Unnahbarkeit ist vorbei und dahinter kann und will die Kirche auch nicht mehr zurück.

Vor Ort spüren wir diesen neuen Stil, dieses Anrecht auf Transparenz und Gleichheit. Als ich vor 20 Jahren meinen Heimatbischof in Deutschland besuchen wollte, da teilte mir sein Büro mit, dass es für einen gewöhnlichen Priester nicht üblich sei, den Bischof zu besuchen. Was für ein Zusammenbruch einer Fürstbischöflichen Zeit! Gott sei Dank! Auch für die Kirche gilt: Die Monarchie ist vorbei.

Ich bin zuversichtlich. Mit der Aufarbeitung der Vergangenheit können wir uns wieder unserem „Kerngeschäft“ zuwenden, wenn es mir erlaubt sei, so salopp zu formulieren. Auch Kirchenkritiker*innen müssen eingestehen, dass in den Pfarren unseres Landes ein hohes und höchstes Engagement zum Wohle der Allgemeinheit geschieht. Dass, von christlichem Anspruch angetrieben, Tausende Menschen Heilendes tun und empfangen. 

Es bleibt die Aufgabe, die schweren Sünden und deren Folgen zu tragen. Die Sätze von Franziskus: „Opfer haben in jeder Hinsicht Vorrang“ und „Wir wollen, dass die Kirche für Kinder absolut sicher ist“ sind keine Worthülsen, sondern echtes Bekenntnis. Davon bin ich überzeugt, und daher habe ich einen Brief an meine Pfarrgemeinde geschrieben.

In dankbarer Verbundenheit
Ihr Pfarrer Martin Rupprecht

Der Sarg und ich

Pfarrer Martin ist einer jener Priester, die Sozialbegräbnisse auf dem Wiener Zentralfriedhof halten. Er beschreibt, wie diese ablaufen und macht sich so seine Gedanken dazu.


Liebe Gemeinde!

Täglich um 8.10 Uhr beginnen auf dem Wiener Zentralfriedhof die Sozialbegräbnisse. Das sind jene, für deren Kosten niemand aufgekommen ist, und die jetzt von der Stadt Wien übernommen werden. Im Volksmund sagen wir „Armenbegräbnisse“ dazu. Meist sind es vier: zwei um 8.10 Uhr, zwei um 8.20 Uhr.

Bei zirka der Hälfte handelt es sich um Menschen mit christlichem Glaubensbekenntnis. In den allermeisten Fällen kommen keine Angehörigen, das heißt, dass nur der Kreuzträger und ich in der Halle stehen. Der Orgelspieler spielt zum Ein- und Auszug. Die Zeremonie läuft ab, wie bei jedem anderem Begräbnis. Nichts wird gekürzt, nur die Predigt fällt weg.Ein Sarg in einem offenen Grab

Die Wiener Bestattung führt diese Armenbegräbnisse wie jedes andere durch. Dafür sei ihr an dieser Stelle auch gedankt. Mit Respekt und Würde wird ein jeder Verstorbene hinausbegleitet. Früher gab es noch die „Bet-Frauen“. Pensionistinnen, die ihre Berufung darin sahen, für die zu beten, die niemand haben. Auch diese sind ausgestorben, und so gehe ich alleine vor dem Sarg. Ist der Weg weit, dann geht sich sogar ein Rosenkranz aus: „Jesus, der von den Toten auferstanden ist“.

„Du, der dich nun niemand begleitet. Ich weiß nicht, wer du warst. Ich kenne nur das Datum deiner Geburt und deines Todes. 51 Jahre  liegen dazwischen. Hattest du Familie? Wie bist du gestorben? Einsam? Wird dich jemand vermissen? Das Gebet dieses Tages soll dir gehören. Du wirst nicht allein aufwachen; bist umgeben von den Engeln und Heiligen, die am Throne Gottes schweben. Sie werden dich trösten und dich ins Lichte führen.“  So tröste ich mich und denke an die Mutter, die diesen Menschen geboren hat.

Am Grab angelangt, dann das nächste Gebet: „So spricht der Herr, der dich erschaffen: Fürchte dich nicht, denn ich erlöse dich; ich rufe dich bei deinem Namen: Mein bist du.“ Ich nicke dem Arbeiter zu; er lässt den Sarg hinunter: „Im Wasser und im Hl. Geist wurdest du getauft. Der Herr vollende an dir, was er in der Taufe begonnen hat.“ Das Weihwasser, dann die Erde auf das Holz. Der Segen. Das ewige Licht leuchte ihm. R.i.p.  Am Ende ein Nicken. Ein Trost. Bei Gott bist du nicht mehr allein.

Pfarrer Martin Rupprecht

An alle Ehepaare

Liebes Ehepaar!

Vor 30 Jahren wurde ich zum Priester geweiht. Seither darf ich Hochzeiten „halten“, also im Namen der Kirche Ihnen, den Ehepaaren, assistieren, wenn Sie einander das JA-Wort geben. Es ist mir ein dringendes Bedürfnis, Ihnen zu schreiben und zu erzählen, was mich nach all den Jahren bewegt.

Ein Brautpaar sitzt vor einem Altar

Wenn Sie mich fragen, was für mich als Priester das Schönste ist, dann kann ich schnell antworten: „Das Glück der Liebenden zu erleben“ und die Antwort auf das „am schlimmsten Erlebte“ lautet: das zerbrochene Glück der Liebenden. Das ist der Grund, warum ich seit vielen Monaten das Morgengebet mit der Fürbitte für die Liebenden beginne. Noch schlimmer als bei Todesfällen muss ich mit anschauen, wie Paare über Jahre leiden, in der miesen Stimmung dahintreiben, nicht mehr zueinander finden. Was ist der Grund? Ich habe sie doch erlebt am Traualtar. Voll des Lachens, des Optimismus, der Heiterkeit. Und jetzt? Warum quälen die sich so? Überwiegt die Skepsis, die Grantigkeit, die Müdigkeit des Alltags?

Es gibt viele gute Empfehlungen aus der Psychologie. Vor einiger Zeit hörte ich ein Interview mit der Psychiaterin Heidi Kastner: „Die Heilserwartungen in den Partner werden größer. Der Partner soll mich glücklich machen. Das aber kann niemand.“ Viele gute Anregungen zur Reflexion, zum Liebes-Training, zur Selbstkritik. Seit einiger Zeit flehe ich die Brautpaare an, dass sie nach der Hochzeit alle sieben Jahre ein Kommunikationstraining machen.

Was aber ist die Hilfe, die aus der kirchlichen Trauung kommt? Die ersten Priesterjahre meinte ich, als Kirche müssten wir mehr machen für die Begleitung von Ehepaaren (beispielsweise Familienrunden). Dann kam die Phase, in der ich glaubte, dass ich mehr psychotherapeutisch sein sollte, mit einer besseren Ausbildung, damit ich als priesterlicher Eheberater wirken könnte. Heute, nach 25 Jahren, fasse ich meine ganze Erfahrung zusammen und behaupte: Das ist alles gut und schön, aber zu wenig – und vor allem trifft es nicht den Kern.

Wenn ich glaube, und ich gehe davon aus, dass dies bei den meisten am Traualtar der Fall ist, wenn ich glaube, dann kann ich mit der Hilfe Gottes rechnen. Aber – das geht nicht so schnell: Kerzerl in der Kirche anzünden und dies oder jenes soll geschehen.

Wie lange braucht ein Steinmetz bis er aus einem Felsklotz eine Statue hämmert? Eine Statue so schön, attraktiv und lustvoll, dass es schwer fällt, sich davon abzuwenden? Am Anfang steht der Steinklotz. Kalt, unschön, schwer. Wo fange ich an? Was muss weg? Das ist eine Erfahrung meines Lebens, dass Gott unablässig, Stunde für Stunde an uns rumhämmert, feilt, klopft. Sich niederlegt und ausruht, dann wieder weitermacht, wenn das Wetter gefällig ist.

Das Einzige, was ich wirklich verändern kann, bin ich selbst. Und im Glauben gesprochen, das Einzige, wozu ich Macht habe, verändern zu lassen, das ist mein Ich. Durch mein verändertes Ich ergibt sich eine Wirkung auf mein Gegenüber. Aber das dauert und dauert. Wochen, Monate, leider nur zu oft auch Jahre. Diese Bereitschaft, Gott an mir arbeiten zu lassen, verstehe ich als Glaube. Das geht nicht ohne Schmerz, in der Sprache der Bibel gesprochen: „nicht ohne das Kreuz.“

Ich komme zurück auf meine Frage an mich selbst: Was ist meine Möglichkeit als Priester nach der Trauung? Das, wozu ich geweiht wurde, den Raum der Kirche offen halten für das Gespräch des Menschen mit Gott. Beziehungsweise: die Stille zu erhalten, damit der Mensch Gott hören kann. Ein 88-jähriger Priester schrieb mir vor Kurzem einen geistlichen Rat: „Lieber Martin, ziehe dich jeden Tag zum Gebet zurück, aber bete nicht. Setz dich einfach hin und höre zu, was ER dir sagt.“

Pfarrer Martin betet für ein Brautpaar in einerKapelle

Um langsam zum Ziel dieses Briefes zu kommen, liebe Ehepaare: Sucht gemeinsam dieses stille Gebet. Vielleicht vor dem Mysterium, dem Tabernakel in der Kirche. Wie sollte sich das Glück des Lebens ereignen, wenn Gott nicht hämmert an meinen Kanten? Und wo Ihr vielleicht einmal Wunden geschlagen habt, wo Heilung notwendig ist, wo ein Neuanfang sein sollte, wo es einfach mal gut täte, da möchte ich Euch die Salbung der Kirche geben.

In der Kirche Rudolfsheim haben wir jeden Freitag normale Abendmesse von 19–19.30 Uhr. Danach wird das Allerheiligste, der Leib Christi, in die Monstranz gegeben und zur Anbetung auf den Tabernakel gestellt. Bis um 21 Uhr ist die Kirche zum stillen Gebet geöffnet.

Die eigene Erfahrung im Ringen um meine Priesterberufung ist: dass die Liebe sich erst in der Krise bewähren kann. Oder, wie ich in der Sozialarbeit so oft gehört habe: „Liebe mich, wenn ich es am wenigsten verdiene, denn dann brauche ich es am meisten.“ Wie das Samenkorn langsam reift, so ist es mit eurem Bund der Ehe. Er ist ein göttliches Geschehen. Glaubt daran. Das ist meine große Bitte und mein Gebet. Ihr sollt auch wissen, dass ich täglich für Euch bete!

Vielen Dank für euer Vertrauen,
Pfarrer Martin Rupprecht

An meine Nichten und Neffen: Warum heiraten?

Liebe Nichten und Neffen!

Es ist nicht so üblich, dass wir einander Briefe schreiben. Noch dazu in der Zeit der WhatsApp-Gruppen. Dennoch will ich es versuchen, weil es einen guten Anlass dazu gibt: Dieses Jahr haben die ersten von Euch geheiratet: Magdalena, Katharina und Franziska. Das erste Baby ist da, und somit bin ich mit euren Eltern Großtante und Großonkel! Herzlichen Glückwunsch!

Der Reigen der Hochzeiten hat – Gott sei Dank – begonnen und das führt zu einer Frage, mit der ich beruflich und familiär sehr beschäftigt bin: Warum soll ich – also nicht ich, sondern Du – kirchlich heiraten? Wann soll ich kirchlich heiraten? Wieso? Wie? Wo?

Es ist auch eine Frage nach unserem Glauben und wie wir ihn in Zukunft praktizieren können, sollen, wollen. Als Getaufte sind wir Glied der Kirche, die so wunderbar weltweit da ist. Wir sind ein Körper, der wirklich die Welt verändert hat, aber der es uns auch manchmal schwer macht, dran zu bleiben. Das eine oder andere Glied ist schwach, verknöchert oder hat schon Cellulitis.

Lasst mich beginnen mit einer Erinnerung: Ich war wohl sieben oder acht Jahre. Unser Vater hat uns nach Remmelberg zum Opa mitgenommen und da sind wir dann zum Zirlwirt, zum Schafkopf-Spielen gefahren. Es hat um 21 Uhr, Sommer war‘s, die Kirchenglocke den „Angelus“ geläutet. Die Bauern haben die Karten niedergelegt, den Hut abgenommen und jeder still für sich gebetet. Das hat mich bis heute beeindruckt. Respekt, denke ich heute noch. Das war den Bauern nicht peinlich, nicht lästig, es ist ein Teil ihrer Persönlichkeit.

Seither sind fast 50 Jahre vergangen. In dieser Zeit seid Ihr gekommen und ich will Euch wirklich sagen, wie unglaublich froh, ermutigt und stolz ich auf Euch alle bin. So ein großer Clan, solche Familienbande sind ein reines Geschenk. Das kannste nicht organisieren und auch nicht erzeugen. Wenn wir das weiter pflegen, wird der Segen sicherlich noch mehr wachsen.

Also, wann beginnt die Ehe? In dem Moment, wo Deine Partnerin, Dein Partner zu dir sagt: Ja, mit Dir will ich durchs Leben gehen. Ich bin bereit, eins zu werden. Körperlich. Psychisch. Wohnmäßig. Seelisch. Das ist dann der Bund. Das Eheband. Meist ein lebensrettendes Tau, manchmal ein Kettchen, hoffentlich nie eine Gefängniskette.

Was in der Kirche geschieht, das Sakrament, ist das öffentliche, verbindliche Gelöbnis und es ist das gemeinsame Gebet: „Vor Gottes Angesicht …“. Diese Bitte um den Segen Gottes ist die Schweißnaht. Die Ehe ist darum das einzige Sakrament, das nicht vom Priester gespendet wird, sondern die Brautleute einander selber spenden, durch dieses miteinander Knien vor Gott, im laut Sagen des Versprechens: „ich nehme Dich an als meine Frau, als meinen Mann und will Dich lieben, achten und ehren solange wir leben.“

Erlaubst Du mir noch ein paar Anmerkungen?

Wann soll die Feier sein? Viele halten Ausschau nach einem günstigen Zeitpunkt, oder wenn die Lokalität frei ist, oder die Wohnung eingerichtet ist, oder genügend Geld gespart ist oder, oder, oder. Ich selber würde Dir raten: Wann Du Dir über den Partner, die Partnerin sicher bist, dann erbitte diesen Segen, dieses Sakrament Gottes! Warte nicht zu lange. Anlässe für Feiern wird es immer geben. Darum muss nicht alles perfekt sein. Lass Dir nicht die Illusion von einer Traumhochzeit einreden; du wirst in Stress sein, weil du möchtest, dass dieses Bild genau so und nicht anders zustande kommt. Es soll eine Feier sein. Wunderschön! Aber sie soll zu Dir passen und nicht wie im Fernsehen vorgespielt. Viele Gäste, die Freundschaft, die Fröhlichkeit, das Gebet. Das alles ist wichtiger als das durchgestylte „Give away“.

Zwei Fragen will ich Dir mitgeben: a) Wie reife ich im Lieben? b) Wie kann ich verstehen, was Gott mit meinem Leben vorhat? Die erste Frage bezieht sich auf die permanente Notwendigkeit, sich im Liebens-würdig-sein zu üben. Die Kommunikation zu verbessern ist ein lebenslanges Training. Es lohnt sich, ab und zu ein Seminar dazu zu besuchen oder auf YouTube Loriot („ich will einfach nur hier sitzen“) anzusehen. Wir alle stammen auch von Bauern ab und wissen, dass starke Bäume langsam wachsen; dass gute Kirschbäume veredelt sind; dass schöne Möbel lange halten, wenn sie gut gepflegt werden.

Die zweite Frage bezieht sich auf den christlichen Glauben. In ganz frühen Zeiten glaubten die Menschen aus Furcht. Die Naturgewalten, die Krankheiten, der Kindstod. Viele Opfer wurden gebracht, weil man meinte, dadurch die Gottheit versöhnlich stimmen zu können. Mit Christus kam der Glauben an die besondere Liebe, die alles überwinden kann; die aber das Tun fordert und eine Gemeinschaft bilden will. Die Kirche als Gemeinschaft der Getauften hat die Welt verändert, aber sie hat nicht immer die Freiheit gegeben. Manchmal gehörten die Menschen dazu, weil sie sich Vorteile erhofften; manchmal, weil es bequemer war. Oft aber, weil die Botschaft Jesu wirklich faszinierend, rettend ist. Denken wir an eine Hl. Elisabeth oder den Hl. Franziskus, an den Hl. Don Bosco oder eine Mutter Teresa.

Heutzutage sind wir in einer völlig neuen Situation, in der die Menschheit in ihrer Geschichte noch nie war. Der moderne Mensch ist frei von jeder Art von Bevormundung. Es gibt keine Gesellschaft, die dir etwas vorschreibt. Scheinbar. Denn die moderne Gesellschaft lebt im weltweiten Netz. Wir blicken hunderte Male am Tag auf unser Handy und werden beeinflusst von Nachrichten, Werbungen, Trends, Kurzvideos, Ideen. Ohne zu ahnen, werden wir gesteuert und sind darum nicht frei. Die moderne Zeit bietet dir 100 Argumente dies zu tun oder jenes zu lassen. Du musst nicht mehr an Gott glauben, brauchst nicht zur Kirche gehen. Es gibt keinen Zwang mehr.

Die größte Freiheit besteht darum, Dich innerlich für etwas zu entscheiden. Etwas durchzuhalten, auch wenn es einen leichteren Weg gäbe. Deine Freiheit, etwas zu glauben, macht Dich aufmerksam auf die Spuren Gottes in der Welt. Zuallererst in Dir. Dann im Wunder des Lebens; am meisten zu bestaunen bei der Geburt eines Kindes. Die gesamte Schöpfung, und schlussendlich die vielen Fügungen, durch die uns Gott Entwicklungsmöglichkeiten vorlegt.

Ob wir sie ergreifen, liegt an uns. Natürlich müssen wir an uns arbeiten und arbeiten lassen. Darum ist der sonntägliche Kirchgang ein Eingeständnis, dass die Menschen, Du und ich, so unvollkommen sind. Meistens bemerkt man das an den Priestern, wenn sie wieder einmal unmöglich predigen, oder – na ja, Du weißt schon, was ich meine. Das ist halt auch eine Schule, das Schwierige ins Leben zu integrieren. Wie? Das sagt uns – so meine ich – die Bibel, das Wort Gottes. Es ist die Grundlage für das christliche Leben. Darum lege ich Dir ein Wort von Papst Franziskus bei. Gönn dir die Zeit, das in Ruhe durchzulesen.

Danke für Deine Geduld und in der Freude auf ein baldiges Treffen,
Euer Onkel Martin

P.S. für Außenstehende: Meine fünf Geschwister haben mir 19 (neunzehn) liebevolle Nichten und Neffen geschenkt.

An junge Erwachsene: Warum wir nach Afrika fahren?

Verschiedene Gründe und Ziele veranlassen mich, junge Erwachsene zu ermutigen, nach Afrika zu fahren. In einer kurzen Reise oder als längerer Aufenthalt / Volontariat.

  1. Noch nie in der Menschheitsgeschichte war in Europa die Freiheit so groß, aus einer unüberschaubaren Menge an Möglichkeiten auszuwählen: im Schulbereich, im Ausbildungsbereich, für einen Beruf, in der Gesundheitsvorsorge, im Bildungsbereich schlechthin, in der Entscheidung des Wohnortes, in der Beziehungsfrage und Familienkonstellation, die Rechtsabsicherung, und und und …
  2. Noch nie in der menschlichen Geschichte waren die Erwartungen der Menschen an Staat und Gesellschaft so hoch; bis hin zur Entschädigung, wenn sich ein Zug um 30 Minuten verspätet.
  3. Noch nie in der Geschichte waren die technischen Möglichkeiten so ausgebildet, dass rund um den Globus Nachrichten, Filme und ganze Datensätze in Sekundenschnelle übermittelt werden können.
  4. Noch nie war die Menschheit so multikulturell vernetzt und gleichzeitig gab es noch nie so hohe Ausgaben für nationale Waffenaufrüstungen.
  5. Noch nie war der Mensch so vielen Informationen ausgesetzt. Die Schlagzeilen werden nicht mehr am morgendlichen Frühstückstisch durch die Zeitung präsentiert, sondern prallen im Sekundentakt auf unser Handy, sogar schon auf die Armbanduhr. Trotz der großen Freiheit eine große Versklavung.

Die Liste dessen was „noch nie“ da gewesen ist, lässt sich fortsetzen. Doch schon die alten griechischen Philosophen stellten fest, dass das Glück des einzelnen Menschen nicht vom „viel haben“ und „viel wissen“ abhängt, sondern von der Eigenschaft das Notwendige zum Wohle Vieler einzusetzen. Die berühmte Frage von Alexander dem Großen, was er denn in großzügiger Weise für Diogenes tun könne, vermittelt auch heute noch Weisheit: „Geh mir aus der Sonne!“ so die einfache Antwort des Philosophen.

Was fehlt uns?

Wir brauchen eine neue Art mit der Wirklichkeit um zu gehen. Mensch, erkenne dich selbst. Was du bist und was aus dir werden könnte. Um innerlich zu wachsen und um motiviert zu sein zur aktiven Gestaltung der Weltgemeinschaft, lade ich ein, den eigenen Kulturraum zu verlassen. Wir reisen nach Afrika: nicht weil dort etwas schlechter oder besser wäre, sondern weil es ganz anders ist. Dieses Andere lädt uns ein, einmal anders zu denken und zu fühlen. Es ermuntert uns: „to share our values – unsere Werte zu teilen“ wie Abba Petros aus Äthiopien bei seiner Einladung formulierte.

Dieser Absicht will ich noch hinzufügen, was ich im Jahr 2002 bei der Errichtung meiner Stiftung „Jugend fördern – Grenzen überspringen“ niedergeschrieben habe:

Die Stiftung „Jugend fördern – Grenzen überspringen“ will helfen, dass junge Menschen die Möglichkeit einer Ausbildung erhalten, damit sie mit ihrer Kraft, ihren Begabungen, ihrer Hoffnung, ihrem Glauben und ihrer Liebe am Aufbau einer neuen Weltgemeinschaft mithelfen können. Kein junger Mensch soll hungern müssen oder nicht zur Schule gehen können.

Es geht sowohl um die Unterstützung der äußeren Bedürfnisse wie Essen, Kleidung, Wohnung und Arbeit, als auch die Förderung der inneren Notwendigkeiten wie Schulausbildung, geistige, geistliche, kulturelle und soziale Bildung. Junge Menschen verschiedener Kulturen und Religionen sollen einander begegnen und zur Entwicklung und Stärkung freundschaftlicher Beziehungen zwischen Völkern und Religionen und damit zur Friedenssicherung beitragen.

Ein Beispiel ist der Hl. Timotheus. Er wurde entdeckt und gefördert durch den Apostel Paulus. Von ihm in seiner Heimat Lystra angesprochen, war er bereit, sich mit Paulus auf den Weg zu machen in eine ungewisse Zukunft. Er lernte verschiedene Kulturen und Länder kennen, reiste mit Paulus nach Europa, erlitt mit ihm die Gefahren der Reisen und die Verfolgungen der Menschen, er ging mit Paulus ins Gefängnis. Der Mut des Timotheus kann jungen Menschen Vorbild sein. Durch seine Bereitschaft wurde Timotheus schließlich Verantwortlicher für die Gemeindeleitung der Christen von Ephesus.

Pfarrer Martin Rupprecht