Der Sarg und ich

Pfarrer Martin ist einer jener Priester, die Sozialbegräbnisse auf dem Wiener Zentralfriedhof halten. Er beschreibt, wie diese ablaufen und macht sich so seine Gedanken dazu.


Liebe Gemeinde!

Täglich um 8.10 Uhr beginnen auf dem Wiener Zentralfriedhof die Sozialbegräbnisse. Das sind jene, für deren Kosten niemand aufgekommen ist, und die jetzt von der Stadt Wien übernommen werden. Im Volksmund sagen wir „Armenbegräbnisse“ dazu. Meist sind es vier: zwei um 8.10 Uhr, zwei um 8.20 Uhr.

Bei zirka der Hälfte handelt es sich um Menschen mit christlichem Glaubensbekenntnis. In den allermeisten Fällen kommen keine Angehörigen, das heißt, dass nur der Kreuzträger und ich in der Halle stehen. Der Orgelspieler spielt zum Ein- und Auszug. Die Zeremonie läuft ab, wie bei jedem anderem Begräbnis. Nichts wird gekürzt, nur die Predigt fällt weg.Ein Sarg in einem offenen Grab

Die Wiener Bestattung führt diese Armenbegräbnisse wie jedes andere durch. Dafür sei ihr an dieser Stelle auch gedankt. Mit Respekt und Würde wird ein jeder Verstorbene hinausbegleitet. Früher gab es noch die „Bet-Frauen“. Pensionistinnen, die ihre Berufung darin sahen, für die zu beten, die niemand haben. Auch diese sind ausgestorben, und so gehe ich alleine vor dem Sarg. Ist der Weg weit, dann geht sich sogar ein Rosenkranz aus: „Jesus, der von den Toten auferstanden ist“.

„Du, der dich nun niemand begleitet. Ich weiß nicht, wer du warst. Ich kenne nur das Datum deiner Geburt und deines Todes. 51 Jahre  liegen dazwischen. Hattest du Familie? Wie bist du gestorben? Einsam? Wird dich jemand vermissen? Das Gebet dieses Tages soll dir gehören. Du wirst nicht allein aufwachen; bist umgeben von den Engeln und Heiligen, die am Throne Gottes schweben. Sie werden dich trösten und dich ins Lichte führen.“  So tröste ich mich und denke an die Mutter, die diesen Menschen geboren hat.

Am Grab angelangt, dann das nächste Gebet: „So spricht der Herr, der dich erschaffen: Fürchte dich nicht, denn ich erlöse dich; ich rufe dich bei deinem Namen: Mein bist du.“ Ich nicke dem Arbeiter zu; er lässt den Sarg hinunter: „Im Wasser und im Hl. Geist wurdest du getauft. Der Herr vollende an dir, was er in der Taufe begonnen hat.“ Das Weihwasser, dann die Erde auf das Holz. Der Segen. Das ewige Licht leuchte ihm. R.i.p.  Am Ende ein Nicken. Ein Trost. Bei Gott bist du nicht mehr allein.

Pfarrer Martin Rupprecht