Wir haben einen Heilungsauftrag

Dr. Christoph Benke‚Wie die Jünger haben wir für die Menschen, denen wir begegnen, einen Heilungsauftrag. Wir haben nicht den „Schuldzuweisungsauftrag“, ebenso wenig wie den Auftrag, auf der Verantwortung herumzureiten – wir haben einen Heilungsauftrag, also wohltuend auf die Umgebung zu wirken.‘

Das stellte Dr. Christoph Benke in seiner Predigt am 11. Sonntag im Jahreskreis – 18.06.2023 in Schönbrunn-Vorpark ins Zentrum seiner Predigt.


Zeit im Bild ist die abendliche Nachrichtensendung. Manchmal bin ich versucht, abzuschalten – weil die Bilder nicht auszuhalten sind: Naturkatastrophen, Krieg und Terror, Hungersnöte etc. Das geht „an die Nieren“. Aber trotz allem: Es bleibt immer der Bildschirm dazwischen. Es ist noch einmal anders, die Not und das Leid eines Menschen unmittelbar mitzubekommen: bei einem Krankenbesuch, als Ersthelfer bei einem Unfall, oder wenn jemand neben Dir weint.

Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben. (Mt 9,36) Jesus hat Mitleid. Er ist betroffen in seinen „Eingeweiden“ (so das Wort im Urtext). Seine Eingeweide drehen sich um beim Anblick der Menschen um ihn: müde und erschöpft, hingestreckt am Boden, wie Schafe ohne Hirten.

Jesus möchte die Menschen da herausholen. Und er sucht Menschen, die ihm helfen – zu helfen. Er gibt ihnen den Auftrag, das zu tun, was er selber tut, nämlich zu verkünden: Das Reich Gottes ist nahe.

Was das Reich Gottes bedeutet, wird in Heilungen erlebbar. Die Ausgesandten sollen heilen, so wie Jesus selbst es tut. Es heißt nicht als Erstes: Sie sollen die Wahrheit verkünden oder sie sollen eine Lehre verbreiten. Sondern ansagen: Das Reich Gottes ist nahe! Gott möchte heilen.

Wie die Jünger haben wir für die Menschen, denen wir begegnen, einen Heilungsauftrag. Wir haben nicht den „Schuldzuweisungsauftrag“, ebenso wenig wie den Auftrag, auf der Verantwortung herumzureiten – wir haben einen Heilungsauftrag, also wohltuend auf die Umgebung zu wirken. Das geschieht manchmal im Anpacken, weitaus öfter im Aufmerksam-Sein, Zuhören, Zulassen.

Bitten wir den Herrn, aufmerksam zu sein für die aktuelle Situation.

Christoph Benke

 

Vatertag, Tag der Kinderrechte, Gedenktag (12.06.) und Todestag (11.06.) Hildegard Burjan

Dr. Hans PockBeten ist gut und wichtig, ersetzt aber nicht, dass wir uns für diejenigen, die es am meisten brauchen, engagiert einsetzen. Das stellte Univ. Prof. Dr. Johann Pock ins Zentrum seiner Predigt in Schönbrunn-Vorpark am 10. Sonntag im Jahreskreis. Dabei stellte er eine Verbindung zwischen den Tageslesungen, dem Leben der Pfarrpatronin Hildegard Burjan und dem internationalen Tag zur Beendigung von Kinderarbeit her.


Es ist großartig, wie heute die Bibelstellen und unterschiedliche Festanlässe zusammenpassen.

Wir denken zunächst an die selige Hildegard Burjan, deren 90. Todestag wir heute gedenken. Sie war Christin, Mutter – und politisch engagiert. Und sie hat sich mit all ihrer Kraft eingesetzt, u.a. für Frauenrechte und auch Kinderrechte.

Morgen, am Montag (12.6.), wird Pfarrer Martin gemeinsam mit Sr. Karin Weiler von der Caritas Socialis beim Europaparlament in Straßburg über Hildegard Burjan sprechen – und was es für die Pfarre bedeutet, sie als Patronin zu haben.

Hosea: An Liebe habe ich Gefallen

Und auch im heutigen Lesungstext aus dem Buch Hosea geht es hochpolitisch her. Der Prophet Hosea hat ca. 800 v. Chr., also vor fast 3000 Jahren, Kritik geübt an einer Glaubenspraxis, die sich nur im Tempel abspielt: Glaube braucht auch verantwortliches, solidarisches Verhalten im Umgang miteinander. Hosea sagt: Gott lässt es sich nicht gefallen, wenn sich Frömmigkeit nicht auch im Handeln ausdrückt.

„An Liebe habe ich Gefallen, nicht an Schlachtopfern; an Gotteserkenntnis mehr als an Brandopfern.“

Es gab also immer wieder im Verlauf der Jahrhunderte und Jahrtausende die Gefahr des Frömmlertums: Sich zurückzuziehen in den Tempel – und dabei auf die Solidarität mit den Mitmenschen zu vergessen. Sich in einen religiösen Wohlfühlbereich zu begeben, dabei aber auf den Alltag zu vergessen.

Jesus: Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken

Jesus hat das in seiner Botschaft aufgegriffen. Im heutigen Evangelium sehen wir ihn inmitten von Menschen, die im Konflikt waren mit den religiösen Behörden, mit dem Tempel, den Pharisäern: Er isst mit Zöllnern und Sündern. Er begibt sich mitten in jene Bereiche, wo es Not gibt, wo Krankheiten da sind.

Und er betont: Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Er ist gekommen, um sich den Sündern, den Kranken, den Außenseitern zuzuwenden. Häufig geschah und geschieht dies in der Kirche moralisierend: Die Sünder … sollen sich bekehren; man solle mehr glauben; die haben so vieles falsch gemacht …

Dem stellt Jesus aber ein anderes Verhalten gegenüber: Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Er will Barmherzigkeit, nicht Opfer. Er klagt die Sünder nicht an, was sie alles falsch gemacht haben – sondern er solidarisiert sich; er mischt sich unter sie – und er hilft ihnen, Lasten zu tragen. Er verschafft ihnen Gerechtigkeit. Jesus macht sich selbst zum Anwalt dieser Menschen. Er tritt für sie ein beim Vater.

Solidarität und Anwaltschaft

Und damit sind wir wieder bei Hildegard Burjan – und auch bei der Begründung, warum sie seliggesprochen worden ist: Weil sie genau das getan hat. Sie hat sich zur Anwältin von Menschen gemacht. Sie hat sich mit Menschen in Not solidarisiert.

Es gibt die Aussage von ihr: „Prüfen wir …, ob wir nicht mitschuldig sind an der Not des Volkes.“ – Sie verlangt von der damaligen Politik, vor 100 Jahren, die eigene Schuld anzuschauen; sie verlangt Solidarität mit dem Volk.

Morgen, der 12. Juni, ist der „internationale Tag zur Beendigung von Kinderarbeit“ – darauf weist Herbert Wasserbauer hin, der sich über die Dreikönigsaktion seit langem stark engagiert. Von Hildegard Burjan gibt es dazu eine starke Aussage überliefert:

 „Wir dürfen nicht zulassen, dass in unserm Jahrhundert der Humanitätsduselei Tausende von kleinsten Kindern in ihren Räumen viel trauriger als das Vieh in Schmutz und Elend verkommen, mit hungerndem Magen … mit Schlägen zur Arbeit angetrieben. … Und wenn der junge Körper gar nicht mehr weiter kann, … dann bekommen die ahnungslosen Kleinen ein Gift – Alkohol oder Kaffee – das scheinbar die Kräfte hebt, in Wahrheit aber die Zerstörung unerbittlich bewirkt. … Wer dieses Bild einmal tief in sein Herzu aufgenommen hat, den Jammer miterlebt hat, der kann nicht mehr Ruhe finden, bis er zur Abhilfe etwas beigetragen hat.“

Vatertag, Tag der Kinderrechte, Hildegard Burjan – und all das mit einer ähnlichen Botschaft: Beten für die Kleinsten, für die Hilfebedürftigen, ist zwar schön – aber es darf nicht ersetzen, dass wir uns aktiv einsetzen, gerade für die Menschen, die sonst niemanden haben.

Das Wort Jesu an Matthäus am Zoll, „Folge mir nach“, gilt hier wohl einem jeden Christen / einer jeden Christin: Werdet solidarisch mit den Menschen um euch; denn nur so erfüllt ihr den Willen Gottes.

Johann Pock

Auf die Mitte fokussieren

Dr. Christoph BenkeIn der Zeit des nur flüchtig Wahrnehmens durch die ständige Verwendung unserer Smartphones lädt uns Fronleichnam ein, uns wieder auf die Mitte zu fokussieren.

Die Monstranz hilft uns dabei.

Das stellte Dr. Christoph Benke in seiner Predigt zu Fronleichnam in Schönbrunn-Vorpark ins Zentrum.


Das Smartphone hat das Leben radikal verändert. Es dient ja mittlerweile am wenigsten zum Telefonieren. Es ist ein Arbeits- und Unterhaltungsinstrument, ständig mit sich herumgetragen. Das Smartphone hat längst auf unsere Art der Wahrnehmung Einfluss genommen: ein kurzes, häufig flüchtiges Registrieren von Text und Bild, mehr Bild als Text. Man wischt das Bild weg, um ein neues zu holen. Ein Bild folgt auf das andere. Dann kommt es in den unendlichen Speicher unseres Inneren. – Wer kann das alles noch verarbeiten? Gibt es noch irgendeinen Zusammenhang?

Später, zum Ende dieser heiligen Messe, kommt ein merkwürdiges Gerät zum Einsatz: die Monstranz. Wir tragen sie sogar um den Häuserblock. Das Gerät ist so gebaut, dass es unseren Blick zur Mitte hinführt. Das Gerät signalisiert uns: ‚Schau da hin!‘ Es holt aus der Zerstreuung. Die Monstranz zentriert, fokussiert. Sie lädt ein, sich zu sammeln und den Weg in die Mitte zu gehen.

Aber in welche Mitte? Die Mitte der Monstranz ist von Glas umgeben. Darin eingeschlossen ist ein kleines, dünnes, zerbrechliches Stück Brot. Von diesem Brot sagt Jesus: ‚Schau her, da bin ich. Schau her, das bin ich – (Brot) für Dich‘. Christen sehen in Jesus Christus die Mitte: die Mitte des Lebens, die Mitte der Welt, die Mitte, um die sich alles dreht. Er, Jesus Christus, ist der Glutkern des Weltalls, des Universums. Von ihm her und auf ihn hin lebt alles.

Es gilt ja allgemein: Gerät die Mitte aus dem Blick, kommt alles durcheinander. Zentrieren wir, fokussieren wir uns neu auf die Mitte, die Jesus Christus ist. So gewinnen wir das Leben.

Christoph Benke

Der Weg

Dr. Hans Pock‚Euer Herz lasse sich nicht verwirren: Glaubt an Gott und glaubt an mich.‘ ‚Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!‘ ‚Wenn ihr mich um etwas in meinem Namen bittet, werde ich es tun.‘ Diese drei Sätze aus dem Evangelium (Joh 14,1-12) stellte Dr. Johann Pock ins Zentrum seiner Predigt in Schönbrunn-Vorpark am 5. Sonntag der Osterzeit.

 


Eine Fülle von Themen gibt uns das heutige Evangelium zum Bedenken mit. Es ist Beginn der Abschiedsreden Jesu an seine Jünger – und entsprechend verdichtet und intensiv ist das, was er sagt. Daher möchte ich nur 3 Themen, 3 Sätze herausgreifen, von denen ich meine, dass sie für uns als Christen, für unser Leben in dieser Zeit wesentlich sein können:

1) Euer Herz lasse sich nicht verwirren: Glaubt an Gott und glaubt an mich.

Verwirrung und Unsicherheit gerade in Fragen des Glaubens sind etwas Zeitloses und gibt es auch heute zur Genüge. So viele unterschiedliche Meinungen hören wir – und jede mit dem Anspruch: „Ich habe die Wahrheit!“ So viele Strömungen innerhalb und außerhalb der Kirche; und die Frage: Woran soll ich mich halten? Was soll ich glauben? Wer hat Recht und ist im Besitz der Wahrheit?

Was sind wirklich „good news“ und was sind „fake news“?

Und immer besteht die Gefahr, fundamentalistisch zu werden – d.h. eben ohne zu hinterfragen – einer Meinung blind zu folgen.

Jesus hat selbst die Erfahrung gemacht, dass verwirrende Gedanken sein Herz beeinflussen: Nach 40 Tagen in der Wüste wird er versucht vom „Diabolos“, vom Teufel – und Diabolos heißt: „Der Verwirrer“, der die Gedanken durcheinanderwirbelt. Jesus widersteht der Versuchung, weil er an Gott glaubt; weil er weiß, dass er sich nicht über Gott setzen darf.

Er hat selbst erfahren, dass die Jünger sehr leicht verwirrt werden, Angst haben – so im Boot beim Seesturm, als sie drohen unterzugehen. Und Jesus sagt ihnen dort: Habt ihr keinen Glauben? Sein Rezept gegen Unsicherheit ist: Glaubt an Gott; haltet an ihm fest, vertraut auf ihn – und auf Jesus selbst.

Der feste Glaube an diesen Gott und an Jesus, seinen Sohn, kann Halt geben. Diesen festen Glauben kann man aber nicht verordnen – sondern er entsteht langsam im Leben; aus den Erfahrungen, dass Gott uns nicht fallen lässt. Er entsteht im Vertrauen auf Menschen, die glauben; im Blick auf ihr Lebenszeugnis – seien es Heilige; seien es Vorbilder des Lebens; seien es z.B. Mütter oder Väter, Großeltern, LehrerInnen, vielleicht auch Seelsorgerinnen und Seelsorger – die uns im Glauben stärken.

Gerade im Mai ist es vielleicht für viele auch Maria, die ein Beispiel für diesen Glauben ist: Sie lässt sich nicht verwirren von den Menschen, die Jesus verfolgen; sie hält zu ihrem Sohn und glaubt an ihn und an seine Sendung; vor allem aber glaubt sie an den Gott, der sie zur Mutter Jesu auserwählt hat.

2) Ein wesentlicher Grund für die Kraft dieses Glaubens liegt im zweiten Satz im Evangelium, den ich hervorheben möchte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!“

Jesus ist selbst der Weg – wer sich auf ihn einlässt, der kann das Ziel nicht verfehlen, welches lautet: Reich Gottes, Himmelreich – oder wie heute im Evangelium: Wohnung, Heimat zu haben beim Vater.

Jesus ist der Weg – er gibt die Richtung an, aber gehen müssen wir den Weg schon selbst. Sein Weg lautet: Liebt Gott und den Nächsten wie euch selbst; und: achtet auf jene am Wegrand; den Weg Jesu gehen heißt auch: gemeinsam unterwegs zu sein. Daher ist mir das liebste Bild für die Kirche auch jenes des wandernden, pilgernden Gottesvolks: Damit bekennen wir, dass wir noch nicht angekommen sind mit unserem Glauben und unserem Leben; wir sind Pilger in dieser Welt – aber mit der Gewissheit, dass Gott uns vorangeht.

Ich finde es immer wieder spannend, dass einer der ersten Namen für die Gemeinschaft Jesu, für die frühe Kirche, die Bezeichnung „Der Weg“ war: Das Christentum als der Weg zum Leben.

Wer sich auf Jesus und auf seinen Weg einlässt, hat aber zugleich die Wahrheit, die so schwer zu finden ist. Es ist keine Wahrheit, die andere lächerlich macht oder dumm dastehen lässt; keine Wahrheit, die messerscharf trennt.

Seine Wahrheit, die Wahrheit der Botschaft Jesu, erweist sich darin, dass bei Jesus Leben und Lehre übereinstimmen; dass er all das tut, was er verkündet; dass er nicht nur grenzenlose Liebe predigt, sondern aus Liebe für die Seinen sogar sein Leben gibt. Es ist eine Wahrheit, die Gott als wahr erweist; die zeigt, dass er es gut mit uns Menschen meint.

Und sein Weg ist der Weg des Lebens: Denn im innersten Kern seiner Botschaft heißt es: Gott ist ein Gott der Lebenden, nicht der Toten; er ist es, der Jesus auferweckt; er ist es, der dem Tod den Stachel der Absolutheit nimmt – Tod ist nicht mehr tot für immer!

Er ist Weg – Wahrheit – Leben.

3.) Ein letzter Satz ist mir auch noch wichtig: „Wenn ihr mich um etwas in meinem Namen bittet, werde ich es tun.“

Jesus zwingt niemanden, an ihn zu glauben; er ist kein Sektenführer, der Menschen einfängt, um sie gegen ihren Willen festzuhalten. Seine Botschaft ist eine Einladung: Gott bietet dem Menschen Leben, er bietet Wohnung bei sich; er bietet ein Lebenskonzept, das Erfüllung bringen kann – aber er zwingt uns nicht dazu, diesen Weg zu gehen. – Deshalb sagt Jesus: Wenn ihr bittet, werde ich es tun. Nicht weil er sich ziert und gebeten werden will; sondern weil er unsere Freiheit, unseren freien Willen achtet. – Und genau das macht mir diese christliche Botschaft so sympathisch im Widerstreit der Meinungen der heutigen Zeit; im Streit darum, was Wahrheit ist; woran wir uns halten sollen.

Drei Botschaften gibt mir dieses Evangeliums – und doch ein gemeinsames Ziel, nämlich den Glauben an Gott: Wir sollen uns nicht verwirren lassen; wir können uns an Jesus halten, der Weg, Wahrheit und Leben ist – und wir dürfen Gott um alles bitten, weil er uns aus seiner Güte alles schenken will, was wir brauchen.

Johann Pock 

Was bringt es, Christ zu sein?

Dr. Nikolaus KrasaWas es bringt, Christ zu sein, mit Jesus mitzugehen, war die Einleitungsfrage von Generalvikar Dr. Nikolaus Krasa bei der Auferstehungsfeier in der Gemeinde Schönbrunn-Vorpark.


Was bringt es eigentlich, Christ zu sein? Was bringt es, mit diesem Jesus mitzugehen? Eigentlich ein ganz logische Frage. Ich stelle sie manchmal Firmlingen, wenn ich mich vor der Firmung mit ihnen treffe. Was bringt der ganze Zinnober, auf den ihr euch da einlässt, Firmstunden, Firmwochenende, vielleicht auch ab und zu Gottesdienstbesuch, nur für einen Tag Familienfest mit Firmgeschenken. Meist schauen sie mich dann ziemlich verwirrt an­ – im Sinne von: Was stellt der Firmspender für seltsame Fragen? Der sollte doch froh sein, wenn wir uns firmen lassen. Und jetzt stellt er das in Frage? Nur: Eigentlich ist das eine ganz normale Frage, die fast all unsere Handlungen im Alltag begleitet. Wenn ihr, so sage ich den Firmlingen, zum McDonald geht und einen Hamburger bestellt, dann wisst ihr genau, was es euch bringt, wenn ihr 2 € eures wertvollen Taschengeldes dafür ausgebt. Ihr wisst sogar, wie es schmecken wird …

Was bringt es, Christ zu sein? Wären Sie als Erwachsene getauft worden, wäre das eine der ersten Fragen gewesen, die Ihnen am Kircheneingang gestellt wurde. Denn der erste Gottesdienst, der die Taufvorbereitung eröffnet, fragt: Was bringt dir der Glaube?

Was bringt es eigentlich, Christ zu sein? 

Zunächst nur Zores. Davon hat uns der Beginn der Fastenzeit erzählt – in der Geschichte der Versuchung Jesu. Es geht um einen Weg, der nicht einfach ist, immer wieder herausfordernd wird. Wenn Sie sich kurz an die drei großen Geschichten, die wir an den Fastensonntagen gehört haben, erinnern, ging es da immer um kleinere und größere Katastrophen. Eine Frau, die mit ihrem Durst nach Leben nicht umgehen kann (Samariterin); einer und viele, die blind sind und den Weg nicht kennen oder erst langsam finden müssen (Blindgeborener); und einer, dessen Leben sogar zerbricht (Lazarus). Es ist eine Herausforderung, mit Jesus auf dem Weg zu sein. Davon haben wir auch in den Schriftstellen des Palmsonntag gehört. Und das war letztlich auch die Frage des Palmsonntags: mitgehen oder nicht. 

Nur Zores? Ja und Nein. Denn die Schriftstellen der Fastenzeit haben noch eine andere Geschichte erzählt, die mit dem Unterwegs-Sein verwoben ist. Der versuchte Jesus wird vor seinen Jüngern verklärt, verwandelt. Und diese Verwandlung setzt sich in den drei großen Geschichten im Leben der drei Menschen (und denen um sie) fort: Die Frau findet jemand, der ihren Durst nach einem gelingenden Leben stillt; der Blindgeborene lernt sehen, mehr noch, Jesus erkennen; Lazarus kommt zum Leben. Verwandlung. Das war das Thema, das uns auch am Gründonnerstag und Karfreitag begegnet ist. Er gibt uns Anteil an ihm, er hält uns und trägt uns und richtet uns auf, wenn wir am Boden sind. Tod und Auferstehung, Jesu Weg, wird zu unserem Weg. Was bringt der Weg mit Jesus? Verwandlung, Ein-langsam- Christus-immer-ähnlicher-Werden. 

Und wenn Sie sich jetzt fragen: Wann hört er endlich auf mit dem Rückblick auf die Fastenzeit und auf die Karwoche und kommt zu den Schrifttexten der Osternacht (vielleicht auch mit der Frage: Wie lange wird denn diese Predigt noch dauern), dann sage ich Ihnen: Da sind wir bereits mittendrin. Und ich fokussiere mich nur auf einen Text, die sogenannte Epistel, also liturgisch gesehen die erste Lesung des Wortgottesdienstes. Denn genau diese Erfahrung des Weges und des Auf-dem-Weg-verwandelt-Werdens hat uns Paulus im Römerbrief erzählt. Getauft sein heißt nämlich, sagt Paulus da, mit Jesus mitgehen und von ihm verwandelt werden. 

  • Mitgehen durch den entscheidenden Moment seines Lebens, seinen Tod und seine Auferstehung. Paulus sagt das so: Wir sind auf Jesu Tod getauft, mit ihm durch die Taufe begraben, damit wir – wie Jesus auferweckt worden ist – in einem neuen Leben wandeln. Also nochmals: Taufe heißt den Weg Jesu durch Tod und Grabesruhe zur Auferstehung mitgehen.
  • Verwandelt werden: Wir sind, sagt Paulus, mit der Gestalt des Todes Jesu verbunden (das ist menschliche Realität); aber: Wir sind es auch mit seiner Auferstehung. Was er damit meint, sagt er am Ende der Lesung noch einmal: Wir leben mit Christus und dann nochmals in Christus. Und das heißt, unser Leben hat sich verändert („die Sünde ist gekreuzigt“ sagt Paulus).

Unser Taufritus versucht diese Verwandlung in drei Zeichen auszudrücken: Wir werden mit Chrisam gesalbt, sind damit durch die Taufe kleine Gesalbte, kleine Messias (um es hebräisch zu sagen), kleine Christus (um es griechisch zu sagen).

Wir haben Christus als Gewand angezogen – und bekommen als Zeichen dafür das Taufkleid aufgelegt.

Und wir sind Licht wie Christus (dafür steht die brennende Taufkerze).

Und das Begleitgebet zur Chrisamsalbung führt noch aus: Du bist mit Chrisam gesalbt, denn du bist Priester, König und Prophet in Ewigkeit. 

Damit sind wir am Ende wieder am Anfang: Wir haben diese Woche begonnen, indem wir mit Christus, unserem König, nach Jerusalem eingezogen sind. Wir haben davon gehört, vielleicht auch gespürt, dass Christus uns verwandeln will auf diesem Weg mit ihm, uns zu dem machen will, was er ist: Priester, König und Prophet. 

Generalvikar Nikolaus Krasa

Am-Boden-Liegen

Dr. Nikolaus KrasaImmer wieder sind wir am Boden, liegen regungslos am Boden. Der Karfreitag zeigt uns, dass uns dieser Boden aber hält, dass wir gehalten sind, und dass dieses „Am-Boden-Liegen“ schon die Ansätze des Aufstehens, der ‚Auferstehung‘, beinhaltet.

Diesen Weg zur Verehrung des besonderen Kreuzes in der Kirche von Schönbrunn-Vorpark zeigte Generalvikar Dr. Nikolaus Krasa in seiner Predigt am Karfreitag auf.


Schade, dass Sie das Zeichen am Beginn des Gottesdienstes nicht mitmachen können (schlicht aus Platzgründen) – aber vielleicht haben Sie die Möglichkeit, es zu Hause nachzuholen. Immerhin ist es eine Gebetshaltung, in der manche Heilige gebetet haben sollen. Und: Jahr für Jahr beginnt der Karfreitagsgottesdienst so. Der Priester darf (und ich sage das hier bewusst) tun, was alle anderen nur durch ein Niederknien ausdrücken. Er darf am Boden sein. 

Am Boden sein, diese Metapher aus unserem alltäglichen Sprachgebrauch erfasst wohl am besten, worum es bei diesem Ritus am Beginn des Karfreitags geht. Einmal vordergründig um das Am-Boden-Sein, vielleicht müsste man ergänzen, Am-Boden-zerstört-Sein Jesu. Denn so werden wir ihn am Ende der heutigen Liturgie verlassen, tot, am Boden liegend im Grab des Joseph von Arimathäa. Am Boden sein – das ist einmal der Ausblick auf das Ende unseres Lebensweges. Auch wir werden einmal tot auf dem Boden (oder besser im Boden) liegen. Als Leichnam oder als Asche, egal.

Aber: Wenn wir vom „Am-Boden-Sein“ reden, fallen uns vermutlich auch Momente, Ereignisse in unserem Leben ein (also noch vor dem Tod). Zeiten von Misserfolgen, Zeiten des Scheiterns, größere und kleinere Katastrophen im Freundes- oder Familienkreis, wirtschaftlich schwierige Zeiten, gesundheitliche Krisen. Zeiten von undefinierter Angst. Es gibt schon vor dem Tod und wohl immer wieder Momente im Leben, in denen einem die Kräfte, die Fähigkeiten zu gestalten, etwas aktiv zu tun, so abhandenkommen, dass man wie regungslos am Boden liegt. 

Ich will Ihnen damit keine Angst machen, Sie auch nicht in die Depression treiben. Ganz im Gegenteil. Denn die Erfahrung, die dieses Zeichen vermittelt, ist eine größere (und damit auch die Erfahrung, um die es in dieser Karfreitagsliturgie geht). Erinnern wir uns an die Stille nach der Passion am Palmsonntag. Eigentlich geht es ja am Palmsonntag nur um die ganz einfache Frage „Willst du mit ihm mitgehen?“ Und, das haben wir gestern versucht zu betrachten: Was passiert denn, wenn du dich auf ihn einlässt? Sie erinnern sich an gestern: Es geht um Verwandlung.

Aber zurück zum Zeichen: Was vermittelt das „Am-Boden-Liegen“ anderes als „Ich bin am Boden“? Ich denke etwas ganz Einfaches, eigentlich Selbstverständliches; so selbstverständlich, dass man es leicht übersieht: Ich würde es so formulieren: Der Boden trägt mich. Oder: Ich bin zwar am Boden, aber ich falle nicht weiter. Da ist ein fester Boden, der mich auffängt und hält und trägt. Ich falle nicht ins Bodenlose. Mir fallen die Worte des großen Rainer Maria Rilke ein, der in seinem Herbstgedicht über fallende Blätter sinniert: „Und doch ist einer da, der dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält“. 

Bilde ich mir das nur ein? Versuche ich hier etwas schön zu reden. Ich denke nicht. Denn damit sind wir bei den entscheidenden Worten der Johannespassion, auf die uns das gestrige Evangelium bereits eingestimmt hat. εἰδὼς ὅτι πάντα ἔδωκεν αὐτῷ ὁ πατὴρ εἰς τὰς χεῖρας καὶ ὅτι ἀπὸ θεοῦ ἐξῆλθεν καὶ πρὸς τὸν θεὸν ὑπάγει – so hat Johannes gestern die Haltung Jesu knapp vor der Fußwaschung geschildert. Worte, die in der Schilderung des Johannes knapp vor dem Tod Jesu nochmals anklingen: Jesus gibt seinen Geist auf, weil er weiß, dass er zu Gott zurückkehrt. Weil er weiß, dass Gott sein Fallen in den Tod unendlich sanft in seinen Händen hält. Und deshalb nicht: „Es ist aus.“, sondern: „Es ist vollbracht.“, oder, könnte man übersetzen: „“Es ist vollendet.“ τετέλεσται – da steckt das Wort Ziel drinnen: „Das Ziel ist erreicht.“

Der Tod wird zum Ziel, weil er jene Verwandlung, die in der Taufe begonnen hat, die ich in jeder Eucharistiefeier nähre, ins Ziel bringt, nämlich Christ, ein Christus zu werden. Jeder kleine Tod, jede Krise, jedes Am-Boden-Sein kann zu einem Moment werden, in dem ich ein Stück mehr in Christus verwandelt werde. Und deshalb endet die Liturgie des heutigen Tages nicht damit, dass wir am Boden liegen, sondern damit, dass wir aufstehen, auferstehen und als Stehende vor unseren Gott treten. So gesehen gehört das Aufstehen zu diesem Zeichen dazu. Im „Am-Boden-Sein“ werden wir zu Auferstandenen verwandelt, wieder und wieder in unserem Leben. 

Das Zeichen des getragen und aufgerichtet am Boden Liegens setzt sich in der Liturgie fort: Deshalb werden wir auch wenig später vor unser leuchtendes Kreuz treten, das in seiner ganz besonderen Art (darüber haben wir vergangenes Jahr nachgedacht) dieses „Es ist vollbracht“ Jesu am Kreuz ausdrückt, dass mit seinem Tod schon die Vollendung durch die Auferstehung beginnt. Und dort nicht am Boden liegen bleiben, nicht in hysterisches Heulen ausbrechen, sondern Blumen als Zeichen des Lebens hinterlassen, das Kreuz verehren, vielleicht auch niederknien.  Und danach aufstehen. 

Deshalb macht es Sinn, dem König Jesus zu folgen. Weil er uns verwandelt und auch die dunkelsten Stunden unseres Lebens zu Orten des Lebens macht. 

Generalvikar Nikolaus Krasa

Ostergeheimnis prägt unser ganzes Leben!

Dr. Nikolaus KrasaWir sind mit Christus, dem anderen König, unterwegs; unsere Aufgabe als Christen ist es, uns an ihm zu orientieren. Es geht darum, uns von ihm verwandeln zu lassen, „damit das Ostergeheimnis unser ganzes Leben prägt.“

Das legte Generalvikar Dr. Nikolaus Krasa in seiner Predigt zu Joh 13, 1-15 den die Liturgie des Gründonnerstags Mitfeiernden in der Gemeinde Schönbrunn-Vorpark dar; er baute in seiner Predigt auch die Brücke vom Palmsonntag bis zur Osterzeit.

 


Sie steht noch da, die Krone, die unsere Kinder vor wenigen Tagen in die Kirche hereingetragen und anschließend bei ihrer Kinderpassion mit einzelnen Ereignissen aus der Passion beklebt haben. Diesem König sind wir zunächst bei seinem Einzug nach Jerusalem begegnet, haben das Hosianna gehört, das die Menschen ihrem König Jesus gesungen haben, dem Nachfahren Davids, dem sie so viel zugetraut haben. Wir haben dann gehört, wie er einzieht, dass er sich ein Bild aus dem Buch des Propheten Sacharia ausgeborgt hat, um zu zeigen, wie er sein Königtum anlegen möchte. Auf einem Esel zieht er, der demütige König aus dem Hause Davids nach Jerusalem ein …

Und vielleicht erinnern Sie sich noch an die Stille, die im Raum war, als die Passion Jesu verklungen war. Stille, weil wir vielleicht instinktiv gespürt haben, da gibt es nicht mehr viel zu sagen. Die großen Fragen des Palmsonntags sind nicht: Hat Jesus alles richtig gemacht? Oder: Wie war das damals? Oder: Was können wir daraus für uns lernen? Die einzige Frage ist: Sind wir bereit mitzugehen?

Warum ich uns an den Palmsonntag erinnere? Weil wir heute einen Schritt weitergehen. Die Frage des Mitgehen ist geklärt. Sie sind da. Die neue Frage lautet: Was passiert denn, wenn wir mit Jesus auf diesem Weg unterwegs sind? Oder, um es modern zu formulieren: Was macht dieser Weg mit uns? Ja, auch heute begegnen wir Jesus, dem König. Und Johannes macht das in der Schilderung des heutigen Evangeliums ganz deutlich.

Jesus agiert souverän. In der Sprache des Johannesevangeliums: Er handelt in dem Wissen, dass er alles, was der Vater ihm gegeben hat, in seine Hände gelegt hat und dass er von Gott kommt und Gott gehorcht. Er weiß um sich, wer er ist, wo er herkommt und wo er hingeht, um seine Beziehung zum Vater, um seine Macht. Er weiß, dass ihm der Vater alles in die Hände gegeben hat. Aus diesem Wissen und dieser Macht gestaltet er das, was danach passiert, souverän. 

Eine kurze Nebenbemerkung oder besser Anregung für die morgige Liturgie (oder für das persönliche Bibellesen): Hören Sie morgen genau hin, wie oft dieses souveräne Handeln Jesu von Johannes in der Passionsgeschichte besonders betont wird, und wie das, eng mit unserem Text verbunden, sich nochmals im Tod Jesu ausdrückt. Er weiß, dass alles vollbracht ist, er gibt seinen Geist (mit demselben Wort ἔδωκεν). 

Wie aber, in welcher Handlung drückt sich die Souveränität Jesu aus, sein königliches Handeln? Er setzt ein Zeichen, tut den Sklavendienst der Fußwaschung. Petrus, der versteht, dass das eigentlich gar nicht geht, protestiert. „Ich sollte dir die Füße waschen, nicht du mir“. Ein Zeichen, das, so weit sind wir schon, zu seinem besonderen Verständnis von Königtum passt, er kommt eben nicht auf einem gewaltigen Schlachtross daher, sondern auf einem Esel, der demütige König aus dem Hause David. Aber warum? Eine doppelte, und ganz einfache, Antwort aus dem Evangelium: „Wenn ich dir nicht die Füße wasche, hast du keinen Anteil an mir“, sagt Jesus dem protestierenden Petrus. Es geht darum, Anteil an Jesus zu haben. Was das heißt? Im heutigen Evangelium ganz schlicht: „Handelt so wie ich an euch!“, so der Schlusssatz.

Blicken wir auf das weitere Johannesevangelium: Sie wissen vielleicht: Nach der heutigen Szene berichtet Johannes von einer langen Rede Jesu an seine Jünger, bevor er dann zum Ölberg aufbricht – wir hören daraus jedes Jahr ab dem 4. Ostersonntag die Evangelien: Da wird vom Weinstock die Rede sein, an dem wir bleiben sollen wie die Rebzweige, von der Liebe, die uns verbindet, die an ihm Maß nimmt („Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.“), vom Paraklet, dem Hl. Geist, davon dass er in uns wohnt und wir in ihm und so letztlich in Gott wohnen. Also in aller Kürze.

Es geht nicht um ein oberflächliches Nachahmen Jesu, sondern letztlich darum, verwandelt zu werden, in ihn hinein. Sodass wir mit Paulus sagen können: Nicht mehr ich lebe, sondern Christus in mir. Und damit sind wir bei unserer Frage vom Beginn: Ziel des Mitgehens mit ihm ist es, von ihm verwandelt zu werden, Christen zu werden, das heißt, um eine Predigt von Augustinus an Neugetaufte zu zitieren: Christus zu werden. 

Es ist schon erstaunlich, dass Johannes, dem die Zeichen, wie er die Wunder nennt, doch so wichtig sind (die letzten beiden, die Heilung des Blindgeborenen und die Erweckung des Lazarus, haben wir an den letzten beiden Fastensonntagen gehört) gerade das Zeichen der Eucharistie nur in einem Nebensatz erwähnt. Die Wandlung der Gaben von Brot und Wein ist ihm offenbar nicht so wichtig wie das, was dadurch geschehen könnte: Unsere Verwandlung. Denn das ist der Sinn von Ostern, vom Christsein, davon, Jesus nachzufolgen – wie es ein Gebet in der Osterzeit formuliert: Damit das Ostergeheimnis unser ganzes Leben prägt und verwandelt. 

Generalvikar Nikolaus Krasa

Du sollst ein Segen sein!

Dr. Hans PockWir haben Segen empfangen und sind daher verpflichtet, andere zu segnen. Das bedeutet z.B. sich für sie einzusetzen. Das stellte Univ. Prof. Dr. Johann Pock ins Zentrum seiner Predigt in Schönbrunn-Vorpark am 2. Sonntag der Fastenzeit.

Predigt zu: Gen 12,1-4a; Mt 17,1-9


„Du sollst ein Segen sein!“

Das ist mein Primizspruch – und dieser Auftrag, nicht nur Segen zu spenden, sondern selber ein Segen zu sein – er begleitet mich seit langem.

Die aktuellen Entwicklungen um uns herum, in unserer Welt und in unserer Nähe lassen es nicht zu, einfach und nett eine Sonntagspredigt zu halten. Um uns herum sterben Menschen: weil sie verhungern; weil sie in Kriegen sterben; weil sie als Spielball von Mächtigen missbraucht werden.
Und zugleich sind wir alle: Juden, Christen und Muslime, Kinder Abrahams. Denn so erzählt es die Bibel:

Abraham wurde von Gott gesegnet – und er bekam Nachkommen, so zahlreich wie die Sterne am Himmel. Ja, darauf beziehen wir uns auch als Christen: Wir sind Kinder Abrahams. Und doch bringen sich seit Jahrtausenden Menschen um – die sich alle auf denselben Urvater beziehen. Sie verfolgen sich – weil nicht alle gleich sind. Muslime verfolgen andere Muslime – Sunniten die Schiiten und umgekehrt; Christen verfolgten andere Christen; Juden wurden verfolgt – und müssen bis heute Verfolgung aufgrund des Glaubens erdulden.

Zugleich richten wir langsam aber sicher unsere Welt zugrunde – und die Verantwortlichen schaffen es nicht, sich auf kleinste gemeinsame Nenner zu einigen.

Gut – Sie können zu Recht fragen: Aber was können wir da tun? Wie können wir hier, in dieser Pfarre, einen Beitrag leisten in diesen großen Zusammenhängen? Sind wir da nicht hilflos?

Ich glaube nicht. Wir stehen in der Fastenzeit – und wir nennen sie die „Zeit der Umkehr“. Es geht dabei um Veränderung. Keiner von uns kann die ganze Welt verändern. Wir können oft nicht einmal die Menschen neben uns verändern, auch wenn wir wollten. Was aber jeder und jede von uns in der eigenen Hand hat: Ich kann mich selbst ändern. Jeder und jede von uns kann einen kleinen Schritt tun, um diese Welt ein wenig besser zu machen; ein wenig sicherer.

Die Fastenzeit erinnert uns mit den Sonntagstexten an unsere Taufe – und daran, dass wir mit der Taufe Christen geworden sind. So auch das heutige Evangelium. Es ist die Szene von der Verklärung Jesu am Berg. Wie schon am letzten Sonntag, wo es um die Versuchungen Jesu ging, zieht er sich aus dem Trubel zurück. Er geht in die Einsamkeit – diesmal nicht in die Wüste, sondern auf einen Berg. Und er nimmt einige Jünger mit.

Dies ist ein wesentlicher Punkt für christliches Leben: Ab und zu innezuhalten; den Trubel zu verlassen – und zur Ruhe zu kommen. Die beiden Besinnungszeiten (Advent und Fastenzeit) geben uns dazu die Möglichkeit. Oder Zeiten der Exerzitien, des Sich-Einübens in den Glauben.

Und auf diesem Berg erscheinen Jesus Mose und Elia: Und damit erscheinen das Gesetz (in Gestalt des Mose) und die Propheten (in Gestalt des Elia). Jesus steht also inmitten des ganzen Alten Bundes. Er steht auf dem Boden der Tradition. Interessant ist dann auch die Reaktion des Petrus: „Wir wollen 3 Hütten bauen!“ – Er möchte den Augenblick festhalten. – Wie es in Goethes Faust heißt: Zum Augenblick zu sagen: „Verweile doch, du bist so schön!“

Genau das aber geht nicht – wir leben noch nicht im Paradies, in der Vollendung. Unser Leben spielt sich nicht nur auf Höhepunkten ab. Eine große Versuchung ist es immer, etwas festzuhalten, wenn es am schönsten ist – Leben aber kann man nicht festhalten, nicht fixieren – dann wäre es tot. Zugleich leben wir aber von solchen Momenten des Glücks, von Verklärungsmomenten des Lebens.
Und daher geht die Erzählung weiter: Jesus steigt mit den Jüngern wieder ins Tal zurück. Sie können das Erlebte nicht festhalten – aber ihr Leben im Tal ist damit geändert: Die Erfahrung kann ihnen niemand nehmen – ja, sie brauchen sie, um Jesu Kreuz und Sterben verstehen zu können; um im Leid nicht unterzugehen.

Erfahrungen von verklärten Momenten in unserem Leben braucht es, um auch leidvolle Stunden durchtragen zu können. Das Leben ist nicht geradlinig – es geht auf und ab, es gibt schöne und schwere Stunden. Das ist keine Frage von Schuld oder Versagen, sondern es ist menschlich: Wir leben eben in der Vorläufigkeit.

Und vor diesem Hintergrund nochmals zurück zur Situation, in der wir uns befinden: Langjährige Sicherheiten sind in Frage gestellt – und genau deshalb werden auch die Ängste größer: Angst aber ist ein schlechter Ratgeber – und genau das sehen wir angesichts von Migrationen, Kriegen und Coronavirus.

Denken wir bei der heutigen Lesung im Blick auf Abraham daran, dass Gott zu ihm gesagt hat: Mache dich auf; lass alles hinter dir; fange neu an! 

Abraham wird geschildert als heimatloser Aramäer, der sich ganz in die Hände Gottes gibt. Das Einzige, was er mit hat, ist die Verheißung Gottes: „Ich werde dich segnen“. Segen ist gewissermaßen Reisegepäck, das Gott dem Abraham mit auf den Weg gibt.
In der Taufe erhalten wir diesen Segen – die Zusage, dass Gott mit uns unterwegs ist. Der Auftrag der Taufe lautet aber auch: Du, mein Kind, sollst selbst zum Segen werden. Du sollst von mir Zeugnis ablegen; du lebst nicht nur für dich, sondern auch für die Menschen um dich herum.

Ich hatte ursprünglich vor, die Predigt mit dem netten Verweis darauf zu schließen, dass Segen auch bedeutet: Letztlich ist es Gott, der handelt, und wir können uns auf ihn verlassen.

Aber die vielen Bilder von Panik, von Menschen in Not, auf der Flucht; die Bilder, wie Frauen und Kinder grausam in Kriegen und an den Grenzen Europas sterben – sie lassen mich heute nicht nett schließen, sondern mit dem Appell: Christsein heißt auch, sich für diese Menschen, für die Ärmsten, für Menschen in Not einzusetzen. Es braucht das Gebet – aber es braucht auch die gute Tat. Damit wir selbst zum Segen werden können.

Johann Pock

Versuchungen bestehen

Dr. Christoph BenkeUnter Versuchungen verstehen wir heute anderes als die Menschen in vergangenen Zeiten. Wie Jesus seine existentiellen Versuchungen bestand, so müssen auch wir uns bemühen, unseren Versuchungen standzuhalten.

Das stellte Dr. Christoph Benke in seiner Predigt zu Mt 4, 1-11 am 1. Fastensonntag 2023 in Schönbrunn-Vorpark ins Zentrum.


Die zarteste Versuchung? Sie wissen sicher, worin sie besteht. Ja, richtig: Schokolade. Die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt: Fast vierzig Jahre prägte dieser Slogan das Markenbild von Milka. Bis heute ist er fest in den Köpfen der Konsumenten verankert. – Dass Versuchung etwas mit Sünde zu tun hat, weiß dann auch die Diätsünde. In ihr landet, wer zuviel Schokolade isst und das nicht tun sollte.

Meistens wissen wir, was wir tun sollten. Wir kennen das Gute, wir ahnen das Böse. Die Versuchung spielt mit uns, verspricht uns etwas, gaukelt uns ein Trugbild vor. Und häufig geben wir ihr nach.

Heute hörten wir im Wort Gottes von der Versuchung. Die Versuchung des Adam im Paradies steht neben der Versuchung Jesu in der Wüste. Das Paradies der Genesis meint die Welt, wie sie sein könnte, wenn sie die Gebote Gottes befolgen würde. Im Kern geht es um das Vertrauen, dass Gott es gut mit uns meint.

Jesus tut das, was der erste Adam nicht getan hatte: Er traut Gott – ganz. Er entscheidet sich ganz für ihn, bis zur letzten Faser seines Wesens. In dem Augenblick kommen Engel und dienen ihm. Das heißt: In diesem Moment beginnt auf Erden das Paradies.

Doch vorher wird Jesus versucht, nicht zart, sondern brutal und fundamental – wie alle, die Gott dienen. Er wird versucht, nicht dem Plan des Vaters zu dienen, sondern sich selbst; nicht für die Sache Gottes zu leben, sondern für die eigene Sache. Jesus siegt im Kampf. Er vertraut Gott und besteht die Versuchung Israels und des Menschen.

Der Herr schenke uns die Kraft in der Versuchung zum Misstrauen. Er stehe uns bei in den Kämpfen, er stärke unseren Willen zum Guten.

Christoph Benke

Taufe des Herrn – ein Lernprozess

Dr. Christoph BenkeUnser Leben ist in vielerlei Hinsicht ein Lernprozess. Johannes der Täufer machte einen solchen durch; auch wir müssen uns darauf einlassen – egal, wie lange der Lernprozess dauert.

Das stellte Dr. Christoph Benke in seiner Predigt zu Taufe des Herrn Mt 3,13-17 am Sonntag, 08.01.2023 in Schönbrunn-Vorpark ins Zentrum.


„Für mich war das ein Lernprozess!“ Wenn jemand einen Lernprozess erwähnt, steckt etwas dahinter – und meist mehr, als man von einem einzigen nüchternen Wort erwarten dürfte. Wer Schnitzen lernt, will sich eine Fertigkeit erwerben. Das geht nicht in einem Tag. Aber nach dem dreitägigen Schnitzkurs sollte ich ein Werkstück eigenständig bearbeiten können.

Ein Lernprozess dauert meist länger – vor allem, wenn er sich auf des Menschsein bezieht: sich aussprechen, zuhören, warten, genau hinschauen, verlieren können. Es benötigt oft Jahre, diese für das Zusammenleben so elementaren Fähigkeiten einzuüben und zu lernen.

Von einem Lernprozess erzählt die Szene, von der wir vorhin im Evangelium hörten. Der Lernende ist Johannes der Täufer. Wie im Zeitraffer begreift er schnell etwas, wofür wir meist viele Jahre oder ein ganzes Leben brauchen: das Lassen und das Zulassen. Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müsste von dir getauft werden und du kommst zu mir? Jesus antwortete ihm: Lass es nur zu! […] Da gab Johannes nach. (V. 14-15)

Wir Menschen scheuen jede Form von Abhängigkeit. Irgendetwas in uns sträubt sich dagegen, sich die Liebe gefallen zu lassen – in der irrigen Annahme, wir würden dann kleiner. Aber das Gegenteil ist der Fall: Der Lernprozess besteht darin, „geschenkfähig“ zu werden. Ich muss lernen, dass ich mich und mein Leben der Liebe eines anderen verdanke. Das muss ich zulassen. Die Zustimmung, sich von der Liebe Jesu Christi beschenken zu lassen, ist ein bedeutender Umkehrschritt hin zur „Er-Lösung“, d.h. sich von sich selbst lösen zu lassen. Davon spricht Teresa von Avila: „Der Herr sei gepriesen, dass er mich von mir selbst befreit hat!“

Für Johannes war das ein Crash-Kurs. Auf das Wort Jesu hin lernt er das Lassen und das Zulassen. Er möge uns in seine Schule mitnehmen. Unser Lernprozess wird länger dauern. Das macht nichts. Entscheidend ist, dass sich dann der Himmel öffnet.

Christoph Benke