Jesus – Tattoo

Dr. Christoph BenkeWir sind durch die Taufe mit dem Heiligen Geist besiegelt. Wir tragen dadurch gleichsam ein inneres Tattoo, wie viele Menschen etwas auf ihrer Haut zeigen. Das verglich Dr. Christoph Benke in seiner Predigt am 3. Sonntag der Osterzeit  (14.04.2024) in Schönbrunn-Vorpark.


In diesem Jahr hat es den Anschein, dass der Frühling ausbleibt. Tage mit sommerlichen Temperaturen sind keine Seltenheit. Die Leute gehen mehr auf die Straße, in die Parks. Sie zeigen sich leichter bekleidet und sie zeigen mehr Haut – und ihre Tattoos. Immer mehr Menschen lassen sich tätowieren: Die Haut als Ausstellungsfläche für einen Namen, ein Zeichen, ein Tier, eine Gottheit – alles, was Menschen wichtig ist.

Eine Tätowierung bleibt. Man kann sie nicht wegwaschen. Will man sie weg haben, muss man eine kostspielige Laserbehandlung eingehen.

Wir stehen in der Osterzeit. 50 Tage lang feiern wir den Übergang vom Tod ins Leben, den uns Jesus vorausgegangen ist. In der Osternacht haben wir unsere Taufe erneuert. Die Taufe heißt in der Heiligen Schrift auch Besiegelung mit dem Heiligen Geist. Besiegelung: Ein Siegel hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Tattoo: Es ist eine Prägung, eine Unterschrift, verleiht einem Dokument Bedeutung. Wir tragen eine Art Jesus-Tattoo in unserem Inneren. Christus, der Auferstandene, ist auf und in unseren Herzen eingraviert. Damit wissen wir, wem wir gehören. Damit haben wir einen Platz, eine Ahnung, wo wir hingehören. Das Christus-Siegel ist unsere Herkunft und unsere Zukunft.

Das sehen wir nicht. Darum tun wir uns schwer, daran zu glauben – so wie die Jünger: „Warum lasst ihr in eurem Herzen Zweifel aufkommen?“, fragt Jesus (V 38). Etwas später heißt es: Darauf öffnete er ihren Sinn für das Verständnis der Schriften (V 45). Denn, nochmals, wir sind mit dem Heiligen Geist besiegelt: Der Heilige Geist, der Geist des Auferstandenen, ist ein Netzwerker. Er ist eine verbindende Kraft. Er öffnet. Er befähigt, die Gabe zu verstehen, sie anzunehmen und Gutes daraus zu machen – für uns und für unsere Mitmenschen.

Christoph Benke

Fürchtet euch nicht!

Dr. Hans PockÜber das Thema „Fürchtet euch nicht – Zweifel sind erlaubt! Lernen von Thomas, dem „Zweifler“ predigte Dr. Johann Pock am 2. Ostersonntag (07. April) in Schönbrunn-Vorpark.


Ich finde es spannend, dass genau dieses Wort beim Weihnachtsevangelium und mehrmals bei den Osterevangelien fällt.

–           Die Engel sagen den Hirten: Fürchtet euch nicht!

–           Jesus im Garten spricht zu Maria von Magdala: Fürchte dich nicht!

–           Mehrmals zu den Jüngern, die aus Furcht versammelt sind: Fürchtet euch nicht!

Unser ganzer christlicher Glaube hat mit dem Umgang mit Ängsten zu tun. Zu den größten Ängsten gehört jene vor dem Tod. Und das ist auch die Kernbotschaft unseres Glaubens: Dem Tod ist der Stachel genommen. Es gibt ihn weiterhin – aber es ist kein Fallen in ein finsteres Nichts; vielmehr ist es das Hinübergehen zu dem, der Liebe ist.

Aber trotz der Auferstehung Jesu haben die Jünger immer noch Ängste: Angst vor Verfolgung; Angst vor Schmerz und Leid …

Hier versucht Jesus als der Auferstandene den Jüngern Mut und Vertrauen zu vermitteln: Ihr seid nicht allein. Ich bin wirklich auferstanden.  Und der stärkt die Jünger und danach alle Christen mit dem Heiligen Geist.

Jesus sendet sie aus mit der Vollmacht zu heilen: Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben. Gewissermaßen haucht er ihnen hier auch neues Leben ein, neuen Lebensmut; Energie, die Türen wieder zu öffnen.

 

Entlastung: Zweifel sind erlaubt

Was aber ist, wenn ich nicht glauben kann? Wenn ich Fragen, Zweifel, Bedenken habe? Thomas, der sich zu fragen und zweifeln traut, passt für mich ausgezeichnet zu den vielen Suchenden und Fragenden von heute: Menschen, die Sinn für ihr Leben suchen; Menschen, die Halt in ihrem Glauben suchen.

Thomas bezeichnen wir gerne als „Zweifler“, als „ungläubigen Thomas“ – und es schwingt dabei Abwertung mit. – Dabei ist er für mich gerade der Repräsentant unserer Zeit im Kreis der Apostel: Vertreter der vielen, die heute nicht voll in das kirchliche Leben integriert sind; der Vertreter jener, die wir nicht immer bei unseren Gottesdiensten und Veranstaltungen sehen. Er hatte beim ersten Mal etwas Besseres oder anderes zu tun; er war „nicht bei Ihnen“, als Jesus kam.

Wie geht Jesus mit ihm um? Jesus weiß um die Zweifel des Thomas – und er macht den Schritt ihm entgegen. Er geht auf Thomas ein, auf seinen Glaubensweg, auf sein Bedürfnis des Berührens, der Erfahrung – und damit führt er ihn zum Glauben.

Nicht rechtlicher Standpunkt, auch kein Beleidigtsein, sondern die liebevolle Begegnung, das Ernstnehmen des Thomas bewirken das Bekenntnis: „Mein Herr und mein Gott.“

Heute haben wir Wundmale des Herrn nicht vor uns, um so zum Glauben zu kommen. Für uns gilt: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“

 – Oder gibt es diese Wundmale, an denen wir Jesus erkennen können, nicht doch heute auch? Ist Jesus als Auferstandener nicht in den Leidenden, in den Kranken, in Menschen mit klaffenden Lebenswunden zu erspüren? In denen, die auf der Flucht sind – mit psychischen Wunden für ihr ganzes Leben? Dazu aber bedarf es des Mutes, diese Menschen anzusprechen und sich berühren zu lassen von ihren Wunden.

 

Wundmale gehören zum Leben

An den Wunden entscheidet sich für mich auch die Wahrheit der Auferstehung Jesu. Nicht einen Christus, der sich in strahlender Reinheit präsentiert, unberührt vom Leidensweg und von der Kreuzigung, kann Thomas akzeptieren. Der „Herr und Gott“ ist für ihn der, der nicht unberührt bleibt; der sich eingelassen hat auf die Menschen; der sich betreffen hat lassen, vom Elend, von der Schuld und vom Hass der Welt. Gerade weil der Auferstandene noch seine Wundmale trägt, ist er für Thomas glaub-würdig.

In der Fastenzeit haben wir immer wieder von der Notwendigkeit der Umkehr gehört; sie steht im Zentrum der Verkündigung Jesu. Die Taufe stellt einen Neubeginn dar, ein neues Leben – im Gewand Christi.

Gleichzeitig aber tragen wir weiterhin Verwundungen vom „alten Menschen“ an uns – und das heutige Evangelium sagt mir: Das darf so sein! Ich bin nach der Umkehr – nach der Taufe, nach der Beichte, nach der Versöhnung – ein neuer Mensch; ich habe das neue Leben – aber es ist ein Leben, das nicht abgekoppelt ist von vorher.

Wir alle tragen unsere Lebenswunden mit uns: Das, was nicht gelungen ist; das, was unheil ist; das, was uns leiden lässt. Und trotzdem sind wir damit nicht im Grab, sondern beim Auferstandenen.

Auf diesem Hintergrund werden die Jünger gesendet – und sie sind Zeugen dieser befreienden Botschaft der Auferstehung: Der Herr lebt, der Auferstandene ist der Gekreuzigte.

Auferstehung heißt für mich daher schon jetzt: Ich selbst kann aufatmen. Ich muss nicht perfekt sein; ich kann und darf Zweifel und Fragen haben – und ich selbst darf Zweifelnden und Suchenden das Christsein nicht absprechen.

Kirche im Angesicht des Auferstandenen: das ist für mich eine Kirche, die ständig auf der Suche ist nach dem rechten Verständnis von Auferstehung, nach der Begegnung mit dem Auferstandenen – und die, die Zeichen der Auferstehung in den Verwundungen der Menschen findet, aber auch die eigenen Verwundungen anerkennt.

Johann Pock

Verwandlung

Dr. Nikolaus KrasaIm Märchen gibt es Verwandlung, aber auch in der Realität unseres Lebens. Die Schüler (Jünger) Jesu haben das gelernt; auch wir können das, da wir durch die Taufe zu Experten der Verwandlung geworden sind. Das zeigte die Predigt in der Osternacht in Schönbrunn Vorpark auf. Damit schloss Generalvikar Dr. Nikolaus Krasa seine Predigtreihe, die ab Palmsonntag über Gründonnerstag und Karfreitag bis zum Höhepunkt der Auferstehungsfeier in einem großen Bogen das Wachsen der Schüler (Jünger) Jesu und unser Wachsen als Schüler (und Schülerinnen) Jesu ins Zentrum rückte.


Kennt ihr das Märchen von Froschkönig? Einer Prinzessin fällt beim Spielen eine goldene Kugel in den Brunnen; die bringt ihr ein Frosch heraus. Der verlangt dafür, dass sie ihn in ihr Schloss mitnimmt und ihr Leben mit ihm teilt. Als sie das tut, verwandelt er sich in einen wunderbaren Prinzen. Oder das Märchen vom hässlichen jungen Entlein, das anders aussieht als die anderen jungen Enten und dafür verspottet wird, aber sich dann langsam, langsam in einen wunderschönen Schwan verwandelt? 

Verwandlung, Veränderung, das ist Teil unseres Lebens. Als Traum (ach wäre doch alles anders), aber auch als Wirklichkeit: Wie viele Ereignisse verwandeln unser Leben, verändern es zutiefst. Irgendwann habt ihr Lesen gelernt und eure Welt hat sich verändert. Oft ist es so, dass Menschen, die eine schwere Krise durchmachen, danach verwandelt sind. Oder – letztes Beispiel: Einmal haben sich eure Eltern ineinander verliebt, das hat ihre Welt verändert und neues Leben geschaffen, das Maximum der Verwandlung sozusagen. Letztlich, und damit sind wir wieder bei unserem Thema: Jeder Lernprozess verwandelt uns ein klein wenig, eröffnet uns eine neue Welt, lässt uns selbst anders verstehen, verändert unser Verhalten (ist also etwas deutlich anderes, als dass bloß neue Daten in unseren inneren Speicher geladen werden). Wir sind also wieder bei unserem Thema: Lernen. Das stand für euch am Anfang der Fastenzeit, als euch Petra das Aschenkreuz aufgezeichnet hat, und gesagt hat: ‚Lerne.‘ (sie hätte auch sagen können „verwandle dich“). Das hat vor allem mit jenem Zeichen zu tun, das ihr dann getan habt, das Samenkorn, das ihr in die mit Asche gedüngte Erde gegeben habt, das sich verwandelt hat, zu einem Halm geworden ist, der irgendwann wieder Samen tragen wird. Übrigens war das jener Text, der für uns am letzten, am fünften Sonntag der Fastenzeit im Evangelium zu hören war: Jesus, der da seinen Jüngern gesagt hat: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“. 

Damit sind wir wieder bei jenem Thema, das uns durch die Kartage begleitet hat: die Schüler Jesu (fromm übersetzt: die Jünger Jesu). Sie lernen, ganz besonders intensiv in dieser letzten Zeit ihres mit Jesus Unterwegsseins. Sie haben in den drei Jahren mit Jesus gelernt, durch das, was sie sich gemerkt haben, durch das, was Jesus in ihrem Leben, in ihrem Verhalten verändert hat. Und jetzt lernen sie durch ihr Scheitern, das „die dunklen Flecken“ auf ihrer inneren Landkarte sichtbar macht. Karfreitag, haben wir gelernt, heißt: Auch dieses Dunkel ist nicht mehr dunkel, weil in ihm das Licht Jesu aufleuchtet. Er ist hinaufgestiegen in das Reich des Todes. Und das verwandelt sie. Wir sind damit auch bei einem zentralen Thema der Osternacht. Die großen Zeichen der Liturgie haben es uns nahezubringen versucht: Das Licht, das im Dunkel aufleuchtet, die Müdigkeit des Wachens, die der Osterfreude weicht, das Dunkel des Todes, das vom Licht der Auferstehung erleuchtet wird. Und schließlich (wir werden uns in wenigen Minuten daran erinnern) das Sakrament der Verwandlung, die Taufe. Davon hat uns Paulus im Römerbrief erzählt. Dabei greift er vermutlich eine Deutung der Taufe auf, die den Christen in Rom bekannt war, und modifiziert sie ein bisschen. Eine Deutung, die dann von den Kirchenvätern, den ersten Theologen der Kirche, in unzähligen Taufkatechesen verwendet wird. Taufe heißt mit Christus sterben (also im Wasser untertauchen), um mit ihm in ein neues Leben „aufzuerstehen“ – also als anderer Mensch aus dem Taufwasser wieder herauszukommen – als Mensch, der nicht mehr, um ein bisschen tiefer in die Argumentation des Römerbriefes einzutauchen, von der Existenzweise Adams, von der Sünde sagt Paulus, geprägt ist, der also letztlich nicht sich 100 % auf Gott verlassen konnte oder wollte. Der sich nicht an jene Regeln halten wollte, die Gott ihm für ein gelingendes Leben gegeben hat. Der neue Adam, der seinem Gott 100 % vertraut, ist Christus, ablesbar ist das daran, dass er in diesem Vertrauen in den Tod geht und von Gott in ein neues Leben gewandelt wird. Der neue Adam ist aber auch jeder Mensch, der durch das Wasser der Taufe geht, damit zu einem neuen Menschen wird. 

Damit sind wir eigentlich alle Experten der Verwandlung, kraft unserer Taufe. Augustinus fasst das einmal unnachahmlich kurz in einer Predigt an Neugetaufte zusammen. ‚Freut euch,‘ sagt er nicht, ‚dass hier Christen stehen‘. ‚Freut euch, dass hier Christus steht.‘ – non solus Christiani sed Christus – und gleichzeitig bleibt das unser Lebensprogramm. Uns von ihm weiter verwandeln zu lassen, damit wir einmal dort sein können, wo er ist. 

Nikolaus Krasa

Das Lernen der Schüler Jesu

Dr. Nikolaus KrasaIn seiner Predigt im Karfreitagsgottesdienst (29.03.) in Schönbrunn-Vorpark nahm Generalvikar Dr. Nikolaus Krasa wieder das Lernen der Schüler Jesu, und damit auch unser Lernen, auf, sprach über das Scheitern, das Hinabsteigen in Bereiche unseres Lebens, in die wir nicht so gerne schauen, und verband das mit unserem Kreuz, das die österliche Dimension des Lösens vom Kreuz darstellt.


Das Lernen der Schüler Jesu (wenn man den griechischen Begriff für Jünger – μαθηταί – weniger fromm übersetzt) begleitet uns durch diese Kartage. Wie geht dieses Lernen? Wenn wir an die Jünger Jesu denken, an ihren Weg mit Jesus, ist die Antwort zunächst ganz einfach: übers Mitgehen. Über das, was sie beim Mitgehen lernen. Was sie an Verhalten von Jesus sehen, was sie von ihm hören, dann auch im Selbst-Ausprobieren (er schickt sie ja aus, mehrfach, um die Erfahrung zu machen, die er macht). Und in all dem, darüber haben wir gestern nachgedacht, im Scheitern. Vielleicht sogar besser im zunehmenden Scheitern. Zunächst im Unglauben der Jünger, die Jesus öfters tadelt, in manchen falschen Antworten (denken Sie an die Geschichte der Brotvermehrung, wo die Jünger die Leute nach Hause schicken wollen), in manchen falschen Verhaltensweisen (etwa, dass sie unterwegs darüber streiten, wer denn nun von ihnen der Größte sei), aber dann, am Höhepunkt der Jesusgeschichte, letztlich im Scheitern an der Passion, bei Markus sehr drastisch, da sind nur ein paar Frauen in der Ferne, bei Johannes immerhin mit dem Jünger, den Jesus liebte, und Maria. Und wenn wir ein bisschen weiterdenken und nur bei Johannes bleiben, die Ostergeschichten beginnen mit Scheiter-Geschichten. Maria von Magdala, weinend im Garten, die Jünger im Abendmahlssaal, die Angst vor den Juden haben, Thomas, der nicht glauben kann, und dann nochmals vielleicht die größte johanneische Scheitergeschichte von allen, die Jünger, die am See Genezareth zum Alltag zurückgekehrt sind und fischen. Und Jesus, der Petrus direkt auf sein Scheitern anspricht, wenn er ihn dreimal fragt: ‚Liebst du mich?‘ Was passiert hier? 

Ich glaube, es gibt Lernerfahrungen unterschiedlicher Tiefe. Das Einfachste ist wohl, intellektuell zu lernen. Ich habe ein Gedicht auswendig gelernt, vielleicht sogar, ich habe intellektuell einen größeren Zusammenhang begriffen. Ich weiß jetzt mehr als vorher. 

Dann gibt es das Lernen von Verhalten. Ich habe bestimmte Verhaltensweisen gelernt, ich habe mich in einem fremden Land eingelebt, ich habe mir bestimmtes Verhalten abgewöhnt. Vielleicht sogar eine Kombination von beidem: Ich habe Wissen gelernt, Verhalten gelernt, kann beides kombinieren, Kompetenzen erlangt, würden die Pädagogen sagen. 

Und dann merke ich vielleicht, dass es Bereiche in meinem Leben, in meinem Verhalten gibt, die sich nicht so leicht ändern lassen. Was mich etwa ganz schnell emotional werden lässt, meine Ruhe verlieren lässt, die immer gleichen Dinge, die Menschen tun, und die mich auf die Palme bringen. Oder Verhaltenswesen, die trotz allen Bemühens nicht weggehen. Oder schlicht Bereiche meines Lebens, in die ich gar nicht hineinschauen will: Sprich mich darauf nicht an. Lass mich nur in Ruhe mit diesem Thema, das kann ich nicht hören… Letztlich – um es mit einer Metapher zu sagen – Bereiche, in denen in mir Dunkel ist. Dunkel, das Angst macht. Dunkel, in das ich nicht hineinschauen will. Vielleicht auch, weil es mich etwas von jenem Dunkel schmecken, fühlen lässt, das am Ende meines Lebens auf mich zukommt

Und damit sind wir mitten am Karfreitag, eigentlich bei einem Ritus, den uns unser modernes Kreuz sehr bald eindrücklich vor Augen stellen wird. Wenn Licht darauf fällt, wirft es einen Schatten, wird mit dem Korpus auch das Kreuz erkennbar. Das Licht macht erst den Schatten sichtbar, lässt aber gleichzeitig auch erkennen, dass sich der Corpus schon vom Kreuz gelöst hat. „Hinabgestiegen in das Reich des Todes“, sagen wir im Glaubensbekenntnis. Im Unterschied zu uns steigt er in dieses tiefste Dunkel hinab. Lässt sich nicht von ihm abschrecken. Im Gegenteil, weiß, in der Sprache des Johannesevangeliums, „Es ist vollbracht“. Oder kündigt das im Abendmahlssaal angesichts von Judas, der die Gemeinschaft verlässt, an: „Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht“. 

Tiefstes Lernen, tiefste Veränderung geht durch den Tod, durch das Hinabsteigen dorthin, wo in uns Dunkel und Tod ist. Angst und Verletzungen sitzen, manches Unaufgearbeitete in unserem Leben. Nach Jesu Tod und Auferstehung wissen wir: Dort finden wir nicht Tod, nicht Gottferne, auch dort finden wir Christus. Weil er genau in dieses Dunkel hinuntergestiegen ist. Und wenn wir ihn dort finden, verwandelt er uns. Genau das passiert in den Johanneischen Ostergeschichten. Dort, wo die Jünger in ihrer Angst ausharren, nicht davonlaufen, dort wird im Abendmahlssaal Ostern, dort, wo Thomas seinen Unglauben bekennt, dort wird für ihn Ostern, dort, wo Petrus sich seiner dreimaligen Verleumdung stellt, dort wird für ihn Ostern. 

Letztlich ist das wohl der Sinn des Ritus, den wir gleich erleben werden, der Kreuzverehrung. Wir bekennen, dass Jesus hinabgestiegen ist in das Reich des Todes, aber nicht abstrakt, sondern in unsere Todesreiche, was auch wir das tun können, weil wir dort niemand anderem begegnen als ihm und uns selbst. 

Nikolaus Krasa

Scheitern

Dr. Nikolaus KrasaLernen ist oft mit Scheitern verbunden. Wie zeigt sich das in den Berichten rund um Ostern, und was bedeutet das für uns? Das stellte Generalvikar Dr. Nikolaus Krasa ins Zentrum seiner Predigt in Schönbrunn Vorpark am Gründonnerstag 2024.


Wie geht Lernen durch Erfahrungen des Scheiterns? Eigentlich erzählt der heutige Tag zwei Geschichten des Scheiterns: Da gibt es den, der sich für den vernünftigeren, vielleicht lukrativeren Weg entscheidet: Judas; da gibt es den, der im Brustton der Überzeugung auf seinen eigenen Mut baut: Petrus

Das ist etwas, das in unserer Kultur wenig Platz hat, das Scheitern. Wir sind erfolgreich, wir sind stark, wir sind gut… Und wenn ich an das Luegerdenkmal und die Diskussionen darum denke, an die Diskussionen um Straßennamen, dann frage ich mich, ob es wirklich klug ist, diese „auszumerzen“, nur weil die Namensgeber etwa nationalsozialistische Vergangenheit haben. Vielleicht würde es uns besser tun, uns daran zu erinnern, dass das Teil unserer Geschichte ist, nicht versuchen, diese dunklen Flecken unserer Geschichte zu tilgen. Zum Wachstum gehört Scheitern dazu, gehört die Erfahrung der eigenen Grenzen dazu. Ganz Mensch werde ich nicht, wenn ich die dunklen Bereiche meiner Seele ignoriere, ganz Mensch werde ich, wenn ich sie wahrnehme. Das ist der eine Aspekt des Scheiterns. Es lässt mich erkennen, wie ich bin. 

Dann gibt es eine zweite Dimension des Scheiterns, die zweite Dimension des Scheiterns zeigt sich im Verhalten Jesu, das heute im Mittelpunkt der Liturgie steht. Er wäscht seinen Jüngern die Füße. Also: Er macht sich, trotz der Mängel der Jünger, zu ihrem Diener. Er zeigt ihnen seine Zuneigung und – würde man heute sagen – seine Wertschätzung. Er wäscht ihnen die Füße und nicht den Kopf. Das ist die Pädagogik Jesu im Umgang mit unserem Scheitern. 

Gibt es einen Unterschied zwischen Judas, Petrus und den anderen Jüngern? Eigentlich nicht wirklich. Denn alle gehen letztlich weg, den Weg Jesu zunächst nicht mit letzter Konsequenz nach. Unter dem Kreuz stehen nach dem Johannesevangelium nur mehr der Jünger, den Jesus liebte, und Maria. Die Ostergeschichten, mit denen das Lukasevangelium beginnt, berichten von 2 Jüngern, die von Jerusalem aus auf dem Weg nach Hause sind, nach Emmaus. Und es ist Jesus, der den Jüngern nachgeht, sich zeigt. Die ersten Worte des Auferstandenen an die Jünger sind bekanntermaßen: „Friede sei mit euch“ – und keine Kopfwäsche, für die Jesus sicher jeden Grund gehabt hätte. So übersetzt sich der Gestus des Fußwaschens in die Haltung Jesu: Er geht nach, er gibt Raum für Irrwege, er bleibt aus Liebe treu zu seinen Jüngern. 

In der Wirtschaft, bei der Begleitung von Führungskräften, gibt es das Angebot der sog. fuck up night. Sie wissen, to fuck up heißt im Englischen so viel wie: Etwas völlig in den Sand setzen, grundlegend scheitern. Führungskräfte werden eingeladen, einander Erfahrungen des Scheiterns, die sie gemacht haben, zu erzählen. Die Übung tut gut, weil das Scheitern eine starke verbindende Erfahrung ist, wenn man merkt, dass auch andere diese Erfahrung gemacht haben. In unserer Kirche hat sich dazu in unterschiedlichen Entwicklungsschritten das Sakrament der Beichte entwickelt, als Möglichkeit sich mit seinem Scheitern zu konfrontieren, einen Schritt dabei zu wachsen und letztlich das zu hören, was Jesus seinen gescheiterten Jüngern am Ostertag sagt: „Der Friede sei mit dir.“ Und das zu erleben, was Jesus im Abendmahlssaal an seinen Jüngern tut: Ihnen nicht den Kopf, sondern die Füße zu waschen. 

Nikolaus Krasa

Wachsen

Dr. Nikolaus KrasaGeneralvikar Dr. Nikolaus Krasa hat am Palmsonntag vor der Palmprozession, die wegen des Regens nur in der Kirche stattfinden konnte, mit den Kindern das Thema Wachsen erarbeitet. Anschließend hat er dargelegt, dass wir als Schüler Jesu eingeladen sind, mit ihm unterwegs zu sein und zu wachsen.


Kinder der Größe nach aufstellen lassen – Frage an die Kleinen: Wirst du so groß bleiben, wirst du so groß werden wie dein Nachbar… ihr werdet alle noch ein bisschen (mehr oder weniger) wachsen.

Wer geht schon in die Schule, welche Klasse? Nach Schulklasse (bzw. Kindergartenjahr) aufstellen. Wird das so bleiben? Nein, nächstes Jahr, nächste Klasse… Und das heißt, dass du vermutlich ein bisschen mehr wissen/können wirst, Dinge gelernt haben wirst… nicht nur die Körpergröße wächst, auch unser Wissen, unsere Fähigkeiten. 

Ihr habt euch in der österlichen Bußzeit mit dem Wachsen auseinandergesetzt, Samenkörner gepflanzt. (Petra, warum habt ihr das gemacht?)

 

Vielleicht verrät uns das, dass es noch ein anderes Wachstum gibt, nicht nur unsere Körpergröße wächst (allerdings nicht endlos), nicht nur unser „Hirn“ wächst, unsere intellektuelle Fähigkeiten, auch unsere menschlichen Fähigkeiten, man könnte sagen, unser „Herz“ wächst. Die Beziehungen, in denen wir leben, das Verständnis für uns und andere Menschen, die Fähigkeit, Gutes zu tun. 

Was das mit dem heutigen Tag zu tun hat? Letztlich geht es Jesus darum, dass seine Jünger wachsen, in der Beziehung zueinander, zu ihm, zu den Menschen, denen sie begegnen. Deshalb nennt sie die Bibel auch auf Griechisch Mathetes, eigentlich wörtlich übersetzt: Schüler. Und wie lernen sie? Ganz praktisch, indem sie mit ihm unterwegs sind. Und dieses Unterwegssein kulminiert in den letzten Tagen, die Jesus in Jerusalem erlebt. Im Verrat, im Leiden, im Tod und in der Erfahrung, dass Gott stärker ist als all das, dass am Ende das Leben steht. Warum feiern wir jedes Jahr diese Tage? Weil wir eingeladen sind, mit den Jüngern, mit Jesus mitzugehen, und zu wachsen. Im Glauben, im Vertrauen, in der Liebe… 

Nikolaus Krasa

Will Gott den Tod?

Pater Dr. Clemens Pilar COpMit dieser Frage und den daraus abgeleiteten Folgen in der Kirchengeschichte sowie der richtigen Interpretation dieser Schrifttexte setzte sich P. Dr. Clemens Pilar Cop in seiner Predigt am 2. Fastensonntag, 25.2.2024 in der Gemeinde Schönbrunn-Vorpark auseinander.


Wir feiern das Fest der Verklärung eigentlich erst im August, aber jedes Jahr wird uns diese Szene auch am zweiten Sonntag in der Fastenzeit vor Augen geführt. Das hat natürlich einerseits den Grund, dass wir uns schon am Anfang des geistigen Weges der Fastenzeit das Ziel ins Bewusstsein holen: Auch unser Weg soll zur „himmlischen Verklärung“, d.h. zur Auferstehung führen.

Aber die Texte der beiden Lesungen führen dazu, dass wir jetzt gar nicht in erster Linie auf das himmlische Licht schauen, sondern auf die Andeutung, dass der Weg des Messias kein Weg des irdischen Triumphes sein wird. Wenn Jesus hier andeutet, dass der Menschensohn „von den Toten auferstehen“ wird, dann heißt das, dass er zuvor irgendwie ums Leben kommen muss. An anderer Stelle wird Jesus noch deutlicher. Doch warum muss der Menschensohn zuerst sterben, bevor er dann als Auferstandener endgültig verherrlicht wird? Das ist eine wichtige Frage, und nicht immer wurde sie im Laufe der Kirchengeschichte korrekt beantwortet, ja manchmal wurde diese sogar verheerend falsch beantwortet. Das Resultat war ein verzerrtes, abschreckendes Gottesbild. Der Atheismus in der westlichen Welt, so wird heute bemerkt, ist vielfach eine Reaktion auf eine Gottesvorstellung, die man eigentlich nur ablehnen kann.

Die Lesungstexte sind tatsächlich verstörend. Was ist das für ein Gott, der von einem Vater verlangt, seinen Sohn zu opfern, fragen wir, wenn wir die Abrahams-Geschichte hören. Und auch wenn diese dann „gut“ ausgegangen ist, dann setzt doch die zweite Lesung nach, wo es heißt, dass der himmlische Vater seinen Sohn nicht verschont hat. Im Laufe der Jahrhunderte wurde daraus eine Keule: Der himmlische Vater muss das Blut seines geschlachteten Sohnes sehen, um sich mit der sündigen Menschheit versöhnen zu können. Nur so kann der göttliche Zorn gestillt werden. Fast alle haben diese Geschichte irgendwann einmal gehört. Aber stimmt die Geschichte so? Warum musste der Menschensohn den Tod erleiden, warum musste Abraham seinen Sohn für die Opferung bereit machen? Ist Gott grausam?

Die Abrahams-Geschichte richtig gelesen und gedeutet, wird uns etwas ganz anderes zeigen. Es geht in dieser Geschichte darum, dass mit dem Vater, also mit Abraham, etwas nicht stimmt. In Wirklichkeit soll Isaak nicht geopfert, sondern gerettet werden. Wie das?

Isaak war doch der lang ersehnte Sohn. Abraham musste hundert Jahre alt werden, bis die Verheißung endlich erfüllt wurde. Was dann passiert, geht aus den biblischen Texten deutlich hervor.  Abraham hat seinen Sohn ergriffen und in Besitz genommen. Abraham war dabei, das Leben seines Sohnes zu erdrücken. Abraham verstand Isaak wie die Verlängerung seines Lebens. Er hat ihn nicht in sein eigenes Leben vor Gott entlassen. In der Einleitung zum heute gehörten Abschnitt ist die Ironie nicht zu überhören: „Nimm DEINEN Sohn, DEINEN EINZIGEN, den DU liebst…“ Gott spielt auf die Besitzergreifung Isaaks durch Abraham an.

Was dann folgt, scheint in der deutschen Übersetzung ein eindeutiger Befehl zu sein: Der Sohn soll geopfert werden. Aber mit der hebräischen Sprache ist das so eine Sache. Da ist vieles nicht so eindeutig. Der Befehl im hebräischen Urtext gelesen, kann in doppelter Weise verstanden werden. Entweder in dem Sinn, dass Abraham mit Isaak zum Berg Morija gehen soll, um ein Opfer zu bringen, – oder er solle zum Berg Morija gehen, um Isaak zum Opfer zu bringen. Beide Verstehensweisen sind von der hebräischen Grammatik aus möglich.

Wir wissen, wie die Geschichte weitergeht. Abraham glaubt wirklich, dass er den Sohn in einem blutigen Opfer darbringen muss. Aber das will Gott nicht! Was Gott aber sehr wohl will, ist, dass Abraham Isaak loslässt und ihm sein eigenes Leben vor Gott möglich macht. Es ist bezeichnend, dass am Ende kein Lamm – also ein Jungtier -, sondern ein Widder geschlachtet wird, d.h. ein „Vater-Tier“ muss sterben. So wird Isaak zum zweiten Mal geboren, weil der Vater endlich begriffen hat, dass sein Sohn nicht sein Besitz ist. Gott wollte nie, dass Isaak stirbt, sondern dass er lebt, und zwar sein eigenes Leben. Deshalb musste ihn Abraham hergeben.

Was hat das aber mit dem Tod des Menschensohnes zu tun? Warum muss Christus am Kreuz sterben? Weil der Vater das Blut seines einzig geborenen Sohnes sehen muss, um sich in seinem Zorn zu besänftigen? Das widerspräche vollkommen allem, was uns Jesus über den barmherzigen Vater geoffenbart hat.

Nein, es geht darum, all denen, die Gott und die Gottesrede missbrauchen, um den Menschen damit zu drohen und sie damit zu beherrschen, ihre Waffe endgültig wegzunehmen. „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“, so hören wir Jesus im Johannesevangelium sagen. Gott ist nicht der, der das Leben der Menschen bedroht, sondern er selber gibt sich in den Tod, damit die Menschen begreifen: Gott nimmt den Menschen nicht das Leben, er gibt es ihnen vielmehr! Natürlich ist das all jenen nicht recht, die die Religion missbrauchen, um zu herrschen, und die dazu einen Gott brauchen, mit dem sie drohen können. Ohne Religion ist kein Staat zu machen, so galt es lange Zeit. Das hat auch dazu geführt, dass auch das Kreuzesgeschehen sehr rasch wieder im Sinne der Mächtigen, die Religion zum Herrschen brauchen, umgedeutet wurde. Niemals dürfen wir vergessen, dass es nicht Gott der Vater war, der Jesus ans Kreuz gebracht und der den Tod des Sohnes wollte. Er hat ihn bloß nicht vor der Macht der Kleriker seiner Zeit verschont. Und Gott lässt es sich antun, ohne sich zu rächen. Gott schlägt nicht zurück, sondern er bietet seine Vergebung an.

Nur wenn wir ernst nehmen, was Jesus an anderer Stelle gesagt hat – „Ich und der Vater sind eins“ – werden alle falschen Gottesbilder sterben, die den Menschen niedergedrückt haben. Eigentlich sollte doch das ganze österliche Geschehen zur Entgiftung der Religion und der Gottesbeziehung führen.

Im Falle der ersten Lesung musste ein Vater verwandelt werden, damit dessen Sohn leben kann. Im zweiten Falle geht es nicht darum, dass Gott, der Vater, sich wandeln muss, vielmehr darf sich unsere Vorstellung vom Vater wandeln. Jesus zeigt uns, wie der Vater wirklich ist.  Er ist der, der das Leben der Menschen nicht bedroht, der es ihnen nicht nimmt, sondern der vielmehr alles gibt, damit wirklich jeder in sein eigenes, wahres Leben vor Gott gehen kann!

Clemens Pilar

Starke Ansage

 

Dr. Christoph BenkeImmer wieder werden in verschiedenen Zusammenhängen starke Ansagen gemacht. Auch Jesus hat gleich bei seinem ersten Auftreten eine starke Ansage gemacht. Das war der Ausgangspunkt der Gedanken von Dr. Christoph Benke in seiner Predigt am 1. Fastensonntag (18.02.2024) in der Gemeinde in Schönbrunn-Vorpark.


Lohnverhandlungen finden meist im Herbst statt. Sie laufen nach einem Muster ab. Am Beginn steht eine starke Ansage, etwa „Metaller fordern 10 Prozent“. Ebenso ist der Wahlkampf eine Zeit der starken Ansagen. Die starke Ansage braucht Öffentlichkeit. Jemand stellt sich vor die Kameras, vor die Mikrofone und macht ein Versprechen, setzt eine Behauptung. Offen ist zunächst, ob das nur taktisches Manöver, eine vollmundige, aber hohle Behauptung ist oder ob Substanz dahintersteckt.

Starke Ansage – so könnte man auch das erste öffentliche Auftreten Jesu nennen: Jesus ging nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium! Da stellt sich einer hin und sagt: ‚Jetzt ist der entscheidende Moment! Gott steht vor der Tür. Er will euch herausführen aus der Misere. Bitte, glaubt an ihn – und glaubt an mich.‘ Woher hat er das? Die hohle Behauptung eines Irrsinnigen – oder Evangelium, also frohe, letztgültige Botschaft?

Etwas spricht dafür, dass an Jesus und seiner Botschaft etwas dran sein muss: Jesus war zuvor 1. in der Wüste, und 2., dort wurde er versucht. Das war eine Art ‚Nagelprobe‘, eine gründliche Erprobung, 40 Jahre. Jesus ist durch Lebenserfahrung ausgewiesen: Taufe, Versuchung und Erprobung, dann die Ansage.

Wenn wir Jesus nachfolgen, wird es uns nicht anders gehen. Wir sind mit Versuchungen konfrontiert: Situationen, die wir uns nicht ausgesucht haben, die uns das Leben zumutet, die uns an die Grenze bringen. Sie versetzen uns in eine Art „Wüste“.

In der Wüste zählt das Elementare. Das Unwichtige fällt weg. Sich immer wieder Durchringen zum Vertrauen, zum Glauben, dass Gott uns nichts zumutet, was über unsere Kräfte geht – darauf kommt es dann an. Möge es uns dann die Erfahrung gegeben sein, dass uns Engel dienen (Mk 1,13) und wir getragen sind. Das würde uns zur starken Ansage ermächtigen: ‚Gott ist treu‘.

Christoph Benke

Abgesondert

Dr. Christoph BenkeIn der Corona-Pandemie waren viele von uns auf Zeit abgesondert; im Buch Leviticus hören wir, dass Aussätzige abgesondert wurden. Jesus ist damit anders umgegangen. Das zeigte Dr. Christoph Benke in seiner Predigt am 6. Sonntag im Jahreskreis (11.02.2024) in der Gemeinde in Schönbrunn-Vorpark auf. Was heißt das für uns?


Die Corona-Pandemie steckt allen noch in den Knochen. Erhielten auch Sie einmal einen „Absonderungsbescheid“? Mussten auch Sie, von der Gesundheitsbehörde beauftragt, in Quarantäne gehen? Absonderung meinte, sich fernzuhalten, um Mitmenschen nicht zu gefährden – eine vorbeugende Maßnahme, Selbst- und Fremdschutz.

Dahin geht auch die Vorgabe im Buch Leviticus. Dem Aussätzigen wird befohlen: Er soll abgesondert wohnen, außerhalb des Lagers soll er sich aufhalten (Lev 13,46). Im Alten Bund hatte der Aussatz zur Folge, dass Betroffene nicht am Gottesdienst teilnehmen durften. Sie waren also von jeglicher Gemeinschaft ausgeschlossen. Das tat wohl mindestens so weh, wie die Krankheit.

Der Abgrenzung nahe ist die Ausgrenzung. Wer ausgrenzt, will nicht, dass die anderen zu seiner Gruppe dazugehören, vielleicht, weil sie anders sind als man selbst. Oder man fühlt sich dann in der Gruppe besonders stark – und vergisst, wie schnell sich das Blatt wenden kann: Im Nu stehst Du auf der anderen, dann falschen Seite und wirst selbst ausgegrenzt oder fühlst Dich so.

Das Evangelium bietet einen Kontrast, nämlich Berührung: Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will – werde rein! (Mk 1,41) Jesus entfernt sich nicht, sondern nähert sich an. Nicht im medizinischen, sondern im übertragenen Sinn gemeint: Das Heilmittel gegen Ausgrenzung ist Berührung, also Begegnung. Sie weitet die Wahrnehmung und öffnet das Herz.

Anders gesagt: Andere aus nichtigen Gründen auszugrenzen, macht unrein vor Gott, der Gemeinschaft mit Gott unwürdig. Wer sich dagegen von Jesus und seinem Wort berühren lässt, findet Sicherheit und Stand – und hat es dann weniger notwendig, jemanden wie einen Aussätzigen zu behandeln.

Christoph Benke

Überfordert – und dann?

Dr. Christoph BenkeWenn man engagiert ist, sieht man immer mehr, was noch zu tun wäre. Wie hat Ijob darauf reagiert und wie Jesus? Was können wir daraus lernen? Damit setzte sich Dr. Christoph Benke in seiner Predigt am 5. Sonntag im Jahreskreis (04.02.2024) in der Gemeinde in Schönbrunn-Vorpark auseinander.


Nehmen wir den Idealfall: Jemand geht mit Interesse an eine Aufgabe heran. Die Person taucht engagiert in ein Arbeitsgebiet ein, bringt sich ein. Sie hat die seltene Fähigkeit, den Überblick zu bewahren. Ihre Umsicht wächst. Sie sieht immer mehr, was noch zu tun wäre, was unerledigt ist. ‚Da fehlt’s und da fehlt’s noch mehr‘ etc. – mit Auswirkung auf das Lebensgefühl.

Ähnlich geht es vielen, die sich für Mitmenschen, für die Minderung von Leid einsetzen: Sie sehen all das Leid und fühlen sich überfordert. Oft bleiben sie unbedankt und kommen sich vor wie ein Tagelöhner, der auf seinen Lohn wartet (Ijob 1,2). Die Klage Ijobs hat andere Ursache, passt aber auch hier: Monde voll Enttäuschung, Nächte voller Mühsal (V 3), so fasst er zusammen. Irgendwann ist man völlig vereinnahmt und dann erschöpft.

Hier wäre der Blick auf Jesus wichtig. Er steht vor einer ähnlichen Situation: Am Abend, als die Sonne untergegangen war, brachte man alle Kranken und Besessenen zu Jesus (Mk 1,32). Jesus heilt – viele, aber nicht alle. Er zieht sich zurück zum Gebet. Auch dort sucht man ihn. Und Jesus antwortet: Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort verkünde; denn dazu bin ich gekommen (V 38). Jesus setzt Zeichen für das Reich Gottes. Er erfüllt nicht alle Erwartungen. Damit erinnert er uns: Gott ist letztverantwortlich, nicht der Mensch. Wer sich für alles und das Ganze verantwortlich weiß, überschätzt sich. Das hat etwas mit Hochmut zu tun.

Unser Tagesgebet bleibt am Boden: Gott, unser Vater, wir sind dein Eigentum und setzen unsere Hoffnung allein auf deine Gnade. Stimmen wir in dieses Gebet ein. Das wäre realistisch und gläubig zugleich.

Christoph Benke