Fürchtet euch nicht!

Dr. Hans PockÜber das Thema „Fürchtet euch nicht – Zweifel sind erlaubt! Lernen von Thomas, dem „Zweifler“ predigte Dr. Johann Pock am 2. Ostersonntag (07. April) in Schönbrunn-Vorpark.


Ich finde es spannend, dass genau dieses Wort beim Weihnachtsevangelium und mehrmals bei den Osterevangelien fällt.

–           Die Engel sagen den Hirten: Fürchtet euch nicht!

–           Jesus im Garten spricht zu Maria von Magdala: Fürchte dich nicht!

–           Mehrmals zu den Jüngern, die aus Furcht versammelt sind: Fürchtet euch nicht!

Unser ganzer christlicher Glaube hat mit dem Umgang mit Ängsten zu tun. Zu den größten Ängsten gehört jene vor dem Tod. Und das ist auch die Kernbotschaft unseres Glaubens: Dem Tod ist der Stachel genommen. Es gibt ihn weiterhin – aber es ist kein Fallen in ein finsteres Nichts; vielmehr ist es das Hinübergehen zu dem, der Liebe ist.

Aber trotz der Auferstehung Jesu haben die Jünger immer noch Ängste: Angst vor Verfolgung; Angst vor Schmerz und Leid …

Hier versucht Jesus als der Auferstandene den Jüngern Mut und Vertrauen zu vermitteln: Ihr seid nicht allein. Ich bin wirklich auferstanden.  Und der stärkt die Jünger und danach alle Christen mit dem Heiligen Geist.

Jesus sendet sie aus mit der Vollmacht zu heilen: Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben. Gewissermaßen haucht er ihnen hier auch neues Leben ein, neuen Lebensmut; Energie, die Türen wieder zu öffnen.

 

Entlastung: Zweifel sind erlaubt

Was aber ist, wenn ich nicht glauben kann? Wenn ich Fragen, Zweifel, Bedenken habe? Thomas, der sich zu fragen und zweifeln traut, passt für mich ausgezeichnet zu den vielen Suchenden und Fragenden von heute: Menschen, die Sinn für ihr Leben suchen; Menschen, die Halt in ihrem Glauben suchen.

Thomas bezeichnen wir gerne als „Zweifler“, als „ungläubigen Thomas“ – und es schwingt dabei Abwertung mit. – Dabei ist er für mich gerade der Repräsentant unserer Zeit im Kreis der Apostel: Vertreter der vielen, die heute nicht voll in das kirchliche Leben integriert sind; der Vertreter jener, die wir nicht immer bei unseren Gottesdiensten und Veranstaltungen sehen. Er hatte beim ersten Mal etwas Besseres oder anderes zu tun; er war „nicht bei Ihnen“, als Jesus kam.

Wie geht Jesus mit ihm um? Jesus weiß um die Zweifel des Thomas – und er macht den Schritt ihm entgegen. Er geht auf Thomas ein, auf seinen Glaubensweg, auf sein Bedürfnis des Berührens, der Erfahrung – und damit führt er ihn zum Glauben.

Nicht rechtlicher Standpunkt, auch kein Beleidigtsein, sondern die liebevolle Begegnung, das Ernstnehmen des Thomas bewirken das Bekenntnis: „Mein Herr und mein Gott.“

Heute haben wir Wundmale des Herrn nicht vor uns, um so zum Glauben zu kommen. Für uns gilt: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“

 – Oder gibt es diese Wundmale, an denen wir Jesus erkennen können, nicht doch heute auch? Ist Jesus als Auferstandener nicht in den Leidenden, in den Kranken, in Menschen mit klaffenden Lebenswunden zu erspüren? In denen, die auf der Flucht sind – mit psychischen Wunden für ihr ganzes Leben? Dazu aber bedarf es des Mutes, diese Menschen anzusprechen und sich berühren zu lassen von ihren Wunden.

 

Wundmale gehören zum Leben

An den Wunden entscheidet sich für mich auch die Wahrheit der Auferstehung Jesu. Nicht einen Christus, der sich in strahlender Reinheit präsentiert, unberührt vom Leidensweg und von der Kreuzigung, kann Thomas akzeptieren. Der „Herr und Gott“ ist für ihn der, der nicht unberührt bleibt; der sich eingelassen hat auf die Menschen; der sich betreffen hat lassen, vom Elend, von der Schuld und vom Hass der Welt. Gerade weil der Auferstandene noch seine Wundmale trägt, ist er für Thomas glaub-würdig.

In der Fastenzeit haben wir immer wieder von der Notwendigkeit der Umkehr gehört; sie steht im Zentrum der Verkündigung Jesu. Die Taufe stellt einen Neubeginn dar, ein neues Leben – im Gewand Christi.

Gleichzeitig aber tragen wir weiterhin Verwundungen vom „alten Menschen“ an uns – und das heutige Evangelium sagt mir: Das darf so sein! Ich bin nach der Umkehr – nach der Taufe, nach der Beichte, nach der Versöhnung – ein neuer Mensch; ich habe das neue Leben – aber es ist ein Leben, das nicht abgekoppelt ist von vorher.

Wir alle tragen unsere Lebenswunden mit uns: Das, was nicht gelungen ist; das, was unheil ist; das, was uns leiden lässt. Und trotzdem sind wir damit nicht im Grab, sondern beim Auferstandenen.

Auf diesem Hintergrund werden die Jünger gesendet – und sie sind Zeugen dieser befreienden Botschaft der Auferstehung: Der Herr lebt, der Auferstandene ist der Gekreuzigte.

Auferstehung heißt für mich daher schon jetzt: Ich selbst kann aufatmen. Ich muss nicht perfekt sein; ich kann und darf Zweifel und Fragen haben – und ich selbst darf Zweifelnden und Suchenden das Christsein nicht absprechen.

Kirche im Angesicht des Auferstandenen: das ist für mich eine Kirche, die ständig auf der Suche ist nach dem rechten Verständnis von Auferstehung, nach der Begegnung mit dem Auferstandenen – und die, die Zeichen der Auferstehung in den Verwundungen der Menschen findet, aber auch die eigenen Verwundungen anerkennt.

Johann Pock