Warum der Sonntag den Menschen rettet

Persönlich Erlebtes

Meine Eltern hatten einen großen Bauernhof. 120 Rinder, sechzig Schweine, Hühner, Gänse, 60 Hektar Felder und 20 Hektar Wald. Hinzu kamen wir sechs Kinder und die Oma. Noch dazu war unser Vater Mitglied in 12 Vereinen, in sieben davon saß er im Vorstand, und darüber hinaus war er Mitglied im Gemeinde- und im Bezirksrat. Da kann man sich vorstellen, wie arbeitsreich sein Leben und jenes unserer Mutter waren. Das Wort „Ferien“ bedeutete für uns Feldarbeit.

Für alle Bauernkinder des Ortes war das ein klassisches Schicksal; jedoch hat uns eine Regel von allen anderen Familien unterschieden: Sonntags wurde nicht gearbeitet!

Wie oft wollten wir samstagabends mit den Nachbarskindern etwas vereinbaren; da hieß es immer „Vielleicht, es hängt vom Wetter ab. Wenn es schön ist, müssen wir aufs Feld.“ Jene, die sich in der Landwirtschaft auskennen, wissen, wie entscheidend die Zeit ist: Im Juni, wenn das Heu auf der Wiese liegt, oder im Juli, wenn das Getreide reif ist, kann ein Gewitter einen Monatslohn zerstören. Wenn also am Sonntagmorgen Regen für Montag angesagt war, dann fuhren die Bauern los, die Ernte einzubringen. Nicht so unsere Eltern, denn es war Sonntag. Ruhetag.

Mit Sicherheit hätten unsere Eltern mehr Geld ohne diese Regeln verdienen können, aber es galt etwas zu schützen, was man nicht kaufen kann. Heilige, heilende Zeit.
Martin Rupprecht


Der jüdische Glaube

„Gedenke des Sabbat: Halte ihn heilig! Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun.“ (Ex 20, 8–10) Das dritte Gebot des Dekalogs betont die Heiligkeit des Sabbat. „Der siebte Tag ist Sabbat, Ruhetag, heilig für den Herrn“ (Ex 31, 15).

Der jüdische Rabbi Raschi fragt: „Nach den sechs Schöpfungstagen – was fehlte dem Universum noch? Die Ruhe und Harmonie! Dann kam der Sabbat und mit ihm die Ruhe, und das Universum war vollendet.“ Und ein anderer Rabbi sagt: „Was wurde am siebten Tag geschaffen? Gelassenheit, Heiterkeit, Frieden und Ruhe.“

Das jüdische Gesetz nimmt diese Notwendigkeit so ernst, dass es die Anzahl der Schritte vorschreibt, die ein Jude am Sabbat zurücklegen darf. Im Prinzip hat das Gesetz recht, denn so kann eine Ruhe entstehen, die sich auf das Land niederlässt. Die Kunst besteht nun darin, das Ziel des Gesetzes in den Alltag unserer heutigen Zeit umzulegen.

Die christliche Deutung

Jesus ist „am ersten Tag der Woche“ von den Toten auferstanden. Der Sonntag ist für die Christen zum ersten aller Tage, zum ersten aller Feste geworden, zum „Tag des Herrn“. Darum stehen der Sonntag und die Feier der Hl. Messe, der Eucharistie im Mittelpunkt des Lebens der Kirche. Der Hebräerbrief mahnt: „Lasst uns nicht unseren Zusammenkünften fernbleiben, wie es einigen zur Gewohnheit geworden ist, sondern ermuntert einander“ (Hebr 10, 25). Der Hl. Kirchenlehrer Johannes Chrysostomus schreibt schon im 4. Jahrhundert: „Du kannst daheim nicht beten wie in der Kirche, wo eine große Anzahl da ist und wo wie aus einem Herzen zu Gott gerufen wird. Hier ist mehr: die Einheit der Gesinnungen, der Einklang der Seelen, das Band der Liebe, die Gebete der Priester.“

So wie Gott „ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk vollbracht hatte“ (Gen 2,2), so erhält das Leben des Menschen durch die Arbeit und die Ruhe seinen Rhythmus.

Christen, die über freie Zeit verfügen, sollen an ihre Brüder und Schwestern denken, die die gleichen Bedürfnisse und Rechte haben, sich jedoch aus Gründen der Armut und der Not nicht ausruhen können. Der Sonntag wird in der christlichen Frömmigkeitstradition für gewöhnlich guten Werken und dem Dienst an Kranken, Behinderten und alten Menschen gewidmet. Die Christen sollen den Sonntag auch dadurch heiligen, dass sie ihren Angehörigen und Freunden die Zeit und Aufmerksamkeit schenken, die sie ihnen an den übrigen Tagen der Woche zu wenig widmen können. Der Sonntag ist ein Tag der Besinnung, der Stille, der Bildung und des Betrachtens, die das Wachstum des christlichen inneren Lebens fördern.

Die Heiligung der Sonn- und Feiertage erfordert eine gemeinsame Anstrengung. Ein Christ soll sich hüten, einen anderen ohne Not zu etwas zu verpflichten, das ihn daran hindern würde, den Tag des Herrn zu feiern. Auch wenn Veranstaltungen (z.B. sportlicher oder geselliger Art) und gesellschaftliche Notwendigkeiten (wie öffentliche Dienste) von Einzelnen Sonntagsarbeit verlangen, soll sich doch jeder genügend Freizeit nehmen.

Ohne Ruhe wird der Mensch verrückt

Auch mit der Vernunft lässt sich die Sonntagsruhe begreifen: Wer Sonntag früh vor die Tür geht, bemerkt die angenehme Ruhe. Kein Lastwagen brummt vorbei, keine Hammer, der die Stille zerschlägt; man muss ehrlich zugeben, dass diese lärmfreie Zeit zur leiblichen und seelischen Gesundheit notwendig ist. Ohne Lärmreduzierung wird der Mensch verrückt.

Meine Empfehlung

Ich selber bin fest davon überzeugt, dass die Sonntagsruhe eines der besten Heilmittel gegen Burnout, Verzweiflung und Vereinsamung ist. Das Gottesgebot ist ja nicht für sich selbst da, sondern dient immer der Schöpfung, dem Menschen. Von daher halte ich das Einhalten des Sonntags und dem damit zusammenhängenden Dank an Gott für entscheidend für eine gesunde Gesellschaft. Ich glaube sogar, dass man die Kinder abhalten sollte für die Schule zu arbeiten. Nur eine Tätigkeit, die der Entspannung dient, ist angemessen.

„Gebt mir einen festen Punkt im All, und ich werde die Welt aus den Angeln heben.“

Archimedes