Impuls zur 4. Fastenwoche: Leistung

„Ich wünschte, ich hätte weniger gearbeitet!“

Dies ist eine der häufigsten Antworten auf die Frage an Sterbende, was sie in ihrem Leben bereuen.

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft: Beruf, Freizeit, Familienleben: alles ist auf Leistung und Optimierung ausgelegt. Wir machen unser Glück vom Ergebnis abhängig und vergessen dabei, dass wir auch glücklich sein dürfen, ohne es uns zu verdienen. Und wieder kommt das Thema „Loslassen“ ins Spiel, von dem wir schon in den anderen Impulsen gesprochen haben. Oft erst in Krankheit machen Menschen die schmerzliche, aber auch heilsame Erfahrung, dass ihr Leben auch lebenswert ist, wenn ihr Alltag nicht mit Aktivitäten vollgepackt ist.

Jedes Leben hat vor Gott seine eigene Würde, seinen Wert – unabhängig von unserer „Leistung“. Die Fastenzeit ist eine Einladung, das Leben wieder neu als Geschenk wahrzunehmen. Das christliche Wort dafür ist „Gnade“. Allein, dass wir atmen, dass wir jeden Morgen aufwachen, ist nicht unsere Leistung. Religionen haben Rituale, um den Geschenkcharakter unseres Lebens zum Ausdruck zu bringen. Denken wir an den arbeitsfreien Sonntag. Wir dürfen ruhen, auf unser Leben blicken und sehen, wie viel Gutes darin ist. Schon in der Schöpfungsgeschichte ist die Ruhe ein unverzichtbarer Teil. Gott schafft die Menschen am sechsten Tag und noch bevor sie einen Handgriff machen, sagt Gott quasi: „Und morgen früh, wenn ihr wach werdet, ist hier übrigens Feiertag!“ Das Erste, was sie „tun“ sollen (nämlich am 7. Tag der Schöpfung), ist ruhen, so wie es auch von Gott selbst heißt, dass er am 7. Tag ruhte. „Sechs Tage darfst du schaffen und all deine Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem HERRN, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun“, heißt es in den 10 Geboten.

Gott hat die Menschen aus der Sklaverei Ägyptens geführt, wo sie Tag und Nacht schuften mussten und will sie nun mit Hilfe der 10 Gebote davor bewahren, dass sie sich selber wieder unfrei machen, indem sie die Arbeit über alles andere stellen.

Das alte Wort für Erholung, „Rekreation“, bedeutet wörtlich „neu schaffen“. Diese Neuschöpfung geschieht, was den Körper angeht, im Schlaf, was die Seele angeht im Zustand des wachen Ruhens. Wenn wir uns für das Ruhen entscheiden, kann also Neues wachsen. Ruhen ist nicht dasselbe wie Passivität. „Das, was passiert, während man nichts tut, passiert nicht, wenn man aufs Nichtstun verzichtet“, schreibt Tomas Sjödin in dem wunderbaren Buch „Warum Ruhe unsere Rettung ist“. Beim Ruhen geht es nicht um eine „Turbo-Pause“, damit unsere Batterien schnell wieder aufgeladen sind. Es geht nicht um einen Wellness-Urlaub, den wir uns gönnen, um dann wieder voll leistungsfähig zu sein. Die Ruhe ist auch keine Belohnung, die man sich verdienen muss. Sie ist Voraussetzung für ein gesunden Leben. Anstatt vom Arbeits-Stress in den Freizeit-Stress zu wechseln, kann Ruhe bedeuten, „gute Sachen in der richtigen Reihenfolge zu versäumen“, wie es Tomas Sjödin ausdrückt.

Ich habe mir für die Fastenzeit eine „Not-to-do-List“ angelegt. Es gibt so viel, was man nicht muss, obwohl es unser innerer Antreiber einfordert. Je nach unserer Lebenssituation sind es andere Dinge, von denen wir im Alltag denken, dass wir sie tun müssen und mit etwas Besinnung erkennen, dass wir sie getrost auch sein lassen können. Ich muss nicht jederzeit erreichbar sein. Ich muss nicht bis zur Erschöpfung arbeiten. Ich muss nicht bei jeder Veranstaltung dabei sein. Ich muss nicht immer eine aufgeräumte Wohnung haben. Und so weiter.

Welche ungesunden Leistungs-Zwänge habe ich verinnerlicht?
Wie kann ich in meinem Alltag der Ruhe einen fixen Platz geben?
Welche Punkte kämen auf meine „Not-to-do-Liste“?

Petra Wasserbauer