ALLEIN DIE LIEBE EINT – Predigt
Über die Versuche Einheit/lichkeit im Glauben und in der Kirche durchzusetzen und das, was dabei übersehen wurde, sprach P. Dr. Clemens Pilar Cop in seiner Predigt in Schönbrunn-Vorpark am 7. Sonntag der Osterzeit (01. Juni 2025).
Das Evangelium, das wir nun am letzten Sonntag vor Pfingsten gehört haben, macht uns sehr nachdenklich. Zu Pfingsten feiern wir die Herabkunft des Heiligen Geistes, der die Jünger sofort ermutigt und erweckt hat, zu ihrer Mission aufzubrechen. Die erste große Rede wird von allen verstanden, egal welcher Herkunft die Hörer waren und welches ihre Muttersprache war. Ein hoffnungsvoller Anfang: Durch den Geist Gottes sollen alle den Ruf Gottes hören können, alle sollen zusammenfinden in dem einen Volk, das auf Gottes Stimme hört.
Jesus hat dies auch in seinem großen Gebet am Abend vor seinem Leiden zum Ausdruck gebracht: Indem die Jünger in der Einheit vollendet sind, wird die Welt erkennen, dass er – Jesus – wirklich vom Vater gesandt ist, und dass deshalb seine Offenbarung des Vaters glaubwürdig ist: Gott ist der Gott der Liebe. „Vater, ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein.“
Doch ist diese Bitte bis heute nicht erfüllt. Warum? Was macht es den Christen, die doch alle an den Name Jesu glauben, so schwer, diese Einheit zu finden? Die ganze Kirchengeschichte ist durchzogen von Glaubensstreitigkeiten, von Schismen und Spaltungen.
Heuer haben wir einen besonderen Grund, uns mit dieser Frage zu beschäftigen. Feiern wir doch auch das 1700-jährige Jubiläum des Konzils von Nizäa, bei dem das Glaubensbekenntnis formuliert und definiert wurde, das wir auch heute noch beten. Grund zum Jubel? Vielleicht, aber ich bin mir da gar nicht immer so sicher. Zumindest lohnt es sich, auch einen kritischen Blick auf die dadurch angestoßene Entwicklung zu werfen.
Wie kam es zu diesem Konzil? Als Kaiser Konstatin das Christentum in seinem Reich erlaubt hatte, hatte er auch gehofft, dass diese neue, junge Religion in seinem Riesenreich eine einheitsstiftende Kraft sein könnte. Doch dann stellt er fest, dass diese Christen auch damals schon in viele Gruppen und Parteien aufgespalten waren, die heftig miteinander um die rechte Auslegung des Glaubens gestritten haben. Es war der noch nicht getaufte Kaiser, der das Konzil einberufen und die Bischöfe mehr oder weniger gezwungen hat, endlich eine gemeinsame, für alle verpflichtende Glaubensformel zu finden. Er wollte, dass es endlich ein Glaubensbekenntnis gäbe, Sätze, denen alle zustimmen können, bzw. müssen. Und tatsächlich ist die Formulierung solch eines Bekenntnisses gelungen und wurde groß gefeiert. Bloß: Die Einheit hat das nicht gebracht. Es wurde fleißig weiter gestritten. Es gab jene, die den Sätzen zugestimmt haben, und jene, die es nicht getan haben. Der Befehl: „Das muss man jetzt aber so glauben.“ hat wenig gefruchtet, weil eines dabei übersehen wurde (und manchmal bis heute übersehen wird): „Im Glauben gibt es kein Muss!“ Man glaubt, oder man glaubt nicht. Man kann eine äußerliche Unterwerfung erzwingen, nicht aber innere Zustimmung.
Alle Versuche, den Glauben in Definitionen und Sätze zu gießen, haben immer nur weitere Spaltung verursacht. Das liegt einfach daran, dass wir Gott nicht definieren können, und jeder Versuch, Dogmen über Gott festzulegen, erzeugt nur Götzen. Bei Glaubensstreitigkeiten aller Art wird immer um Götzen gestritten. Gottesbilder, Gottesideen, menschliche Versuche, das unfassbare Geheimnis festzulegen. Es ist ja kein Geheimnis: Alles kann zum Götzen werden: sogar die Eucharistie. Woran man das erkennt? Es ist nicht möglich, dass alle Getauften gemeinsam das eucharistische Brot brechen und Mahl halten. Einfach deshalb, weil im Laufe der Zeit theologische Deutungen dieses Geschehens wichtiger wurden als der Auftrag Jesu: „Tut das zu meinem Gedächtnis“.
Wie aber kann endlich die Einheit werden, die Jesus erbeten hat? Durch neue, bessere Sätze, treffendere Dogmen? Sicher nicht. Papst Franziskus hat gesagt, wenn wir auf die Theologen warten, bis wir Christen alle endlich gemeinsam die Eucharistie feiern können, werden wir ewig warten.
Ich denke, es ist nun nach 1700 Jahren Zeit, dass wir umdenken. Vor 1700 Jahren wurde ein Glaubensbekenntnis formuliert, das endlich Einheit unter den Christen bringen sollte. Aber es weist einen entscheidenden Mangel auf. Der Kaiser und die Bischöfe haben damals nämlich auf das Wesentliche vergessen: Das Wort Liebe und das Wort Barmherzigkeit kommen darin überhaupt nicht vor. Es werden aber nicht Sätze sein, die uns einen, sondern allein die Liebe. Das bedeutet nicht, dass wir diese alten ehrwürdigen Traditionen über Bord werfen müssen. Wir betrachten sie als Etappe auf dem Weg. Wir werden auch heute dieses Glaubensbekenntnis beten – die Sätze sind ja nicht falsch. Und an sich ist es ja auch etwas Großartiges, dass man in Konzilien zusammenkommt und wichtige Fragen gemeinsam durchdenkt und gemeinsam zu lösen versucht. Aber wir wissen auch, dass wir dabei nicht stehen bleiben dürfen, sondern einen Weg des Lernens gehen, der uns weiter führt. Es bedeutet auch, dass man lernen muss, was man festlegen kann und was dagegen bleibend ein Fragen und Suchen bleiben muss. Nicht alles kann man in unumstößliche Sätze gießen.
Aber was macht den Christen dann aus, was ist das Einende? Jesus ist der Mittelpunkt. Jesus ist der Weg zum Vater – aber wer durch diese Türe geht, die Jesus ist, wird immer tiefer die Herrlichkeit schauen, von der er in seinem Gebet gesprochen hat. Jeder wird diese Herrlichkeit anders wahrnehmen, jeder wird sie in einzigartiger Weise erleben (ich denke da z.B. an die Erfahrung im Rahmen des Medizinstudiums, bei der meine Kollegin und ich feststellen mussten, dass wir Farben in unterschiedlicher Intensität wahrgenommen haben). Darum ist es ja auch so genial, dass wir vier verschiedene Evangelien haben, die wir nicht auf einen Nenner bringen können. So halten uns die ersten Zeugen offen für weiteres Fragen und Suchen. Das ist der Weg, die Herrlichkeit Gottes zu schauen. Und diese Herrlichkeit dürfen die Christen dann einander bezeugen, in der Freude über die Fülle und Unterschiedlichkeit der Erfahrungen. Ob diese Erfahrungen authentische Gotteserfahrungen sind, kann man daran erkennen, wie sehr jemand in der Liebe wächst, bis zur Gleichgestaltung, mit der Jesus seine Jünger geliebt hat. Und diese Erfahrung kann man nicht einfach weitergeben. Man kann sie bezeugen und bei anderen die Sehnsucht erwecken, selber in die Freundschaft mit Jesus einzutreten und durch ihn in das Haus des Vaters geführt zu werden.