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An alle Ehepaare

Liebes Ehepaar!

Vor 30 Jahren wurde ich zum Priester geweiht. Seither darf ich Hochzeiten „halten“, also im Namen der Kirche Ihnen, den Ehepaaren, assistieren, wenn Sie einander das JA-Wort geben. Es ist mir ein dringendes Bedürfnis, Ihnen zu schreiben und zu erzählen, was mich nach all den Jahren bewegt.

Ein Brautpaar sitzt vor einem Altar

Wenn Sie mich fragen, was für mich als Priester das Schönste ist, dann kann ich schnell antworten: „Das Glück der Liebenden zu erleben“ und die Antwort auf das „am schlimmsten Erlebte“ lautet: das zerbrochene Glück der Liebenden. Das ist der Grund, warum ich seit vielen Monaten das Morgengebet mit der Fürbitte für die Liebenden beginne. Noch schlimmer als bei Todesfällen muss ich mit anschauen, wie Paare über Jahre leiden, in der miesen Stimmung dahintreiben, nicht mehr zueinander finden. Was ist der Grund? Ich habe sie doch erlebt am Traualtar. Voll des Lachens, des Optimismus, der Heiterkeit. Und jetzt? Warum quälen die sich so? Überwiegt die Skepsis, die Grantigkeit, die Müdigkeit des Alltags?

Es gibt viele gute Empfehlungen aus der Psychologie. Vor einiger Zeit hörte ich ein Interview mit der Psychiaterin Heidi Kastner: „Die Heilserwartungen in den Partner werden größer. Der Partner soll mich glücklich machen. Das aber kann niemand.“ Viele gute Anregungen zur Reflexion, zum Liebes-Training, zur Selbstkritik. Seit einiger Zeit flehe ich die Brautpaare an, dass sie nach der Hochzeit alle sieben Jahre ein Kommunikationstraining machen.

Was aber ist die Hilfe, die aus der kirchlichen Trauung kommt? Die ersten Priesterjahre meinte ich, als Kirche müssten wir mehr machen für die Begleitung von Ehepaaren (beispielsweise Familienrunden). Dann kam die Phase, in der ich glaubte, dass ich mehr psychotherapeutisch sein sollte, mit einer besseren Ausbildung, damit ich als priesterlicher Eheberater wirken könnte. Heute, nach 25 Jahren, fasse ich meine ganze Erfahrung zusammen und behaupte: Das ist alles gut und schön, aber zu wenig – und vor allem trifft es nicht den Kern.

Wenn ich glaube, und ich gehe davon aus, dass dies bei den meisten am Traualtar der Fall ist, wenn ich glaube, dann kann ich mit der Hilfe Gottes rechnen. Aber – das geht nicht so schnell: Kerzerl in der Kirche anzünden und dies oder jenes soll geschehen.

Wie lange braucht ein Steinmetz bis er aus einem Felsklotz eine Statue hämmert? Eine Statue so schön, attraktiv und lustvoll, dass es schwer fällt, sich davon abzuwenden? Am Anfang steht der Steinklotz. Kalt, unschön, schwer. Wo fange ich an? Was muss weg? Das ist eine Erfahrung meines Lebens, dass Gott unablässig, Stunde für Stunde an uns rumhämmert, feilt, klopft. Sich niederlegt und ausruht, dann wieder weitermacht, wenn das Wetter gefällig ist.

Das Einzige, was ich wirklich verändern kann, bin ich selbst. Und im Glauben gesprochen, das Einzige, wozu ich Macht habe, verändern zu lassen, das ist mein Ich. Durch mein verändertes Ich ergibt sich eine Wirkung auf mein Gegenüber. Aber das dauert und dauert. Wochen, Monate, leider nur zu oft auch Jahre. Diese Bereitschaft, Gott an mir arbeiten zu lassen, verstehe ich als Glaube. Das geht nicht ohne Schmerz, in der Sprache der Bibel gesprochen: „nicht ohne das Kreuz.“

Ich komme zurück auf meine Frage an mich selbst: Was ist meine Möglichkeit als Priester nach der Trauung? Das, wozu ich geweiht wurde, den Raum der Kirche offen halten für das Gespräch des Menschen mit Gott. Beziehungsweise: die Stille zu erhalten, damit der Mensch Gott hören kann. Ein 88-jähriger Priester schrieb mir vor Kurzem einen geistlichen Rat: „Lieber Martin, ziehe dich jeden Tag zum Gebet zurück, aber bete nicht. Setz dich einfach hin und höre zu, was ER dir sagt.“

Pfarrer Martin betet für ein Brautpaar in einerKapelle

Um langsam zum Ziel dieses Briefes zu kommen, liebe Ehepaare: Sucht gemeinsam dieses stille Gebet. Vielleicht vor dem Mysterium, dem Tabernakel in der Kirche. Wie sollte sich das Glück des Lebens ereignen, wenn Gott nicht hämmert an meinen Kanten? Und wo Ihr vielleicht einmal Wunden geschlagen habt, wo Heilung notwendig ist, wo ein Neuanfang sein sollte, wo es einfach mal gut täte, da möchte ich Euch die Salbung der Kirche geben.

In der Kirche Rudolfsheim haben wir jeden Freitag normale Abendmesse von 19–19.30 Uhr. Danach wird das Allerheiligste, der Leib Christi, in die Monstranz gegeben und zur Anbetung auf den Tabernakel gestellt. Bis um 21 Uhr ist die Kirche zum stillen Gebet geöffnet.

Die eigene Erfahrung im Ringen um meine Priesterberufung ist: dass die Liebe sich erst in der Krise bewähren kann. Oder, wie ich in der Sozialarbeit so oft gehört habe: „Liebe mich, wenn ich es am wenigsten verdiene, denn dann brauche ich es am meisten.“ Wie das Samenkorn langsam reift, so ist es mit eurem Bund der Ehe. Er ist ein göttliches Geschehen. Glaubt daran. Das ist meine große Bitte und mein Gebet. Ihr sollt auch wissen, dass ich täglich für Euch bete!

Vielen Dank für euer Vertrauen,
Pfarrer Martin Rupprecht