Mit Klugheit durchs Leben

Klug sein, was heißt das wirklich?

Bedeutet „klug sein“ dasselbe wie weise, gescheit oder erfahren sein? Mit dieser beispielhaften Aufzählung betreten wir ein beliebtes Wortfeld sinnverwandter Wörter, um die Bedeutungsunterschiede zwischen Synonyma, also zwischen quasi gleichbedeutenden Wörtern, klar zu machen. Doch bleiben wir bei der Klugheit, die als erste und oberste unter den vier Kardinaltugenden genannt wird; sie steht – wie Gelehrte meist annehmen – über der Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung.

Erst wer klug ist, kann in seinem Leben auch gerecht, maßvoll und tapfer sein; die Klugheit lenkt und sie schenkt dem Menschen jenes Licht, um die Wahrheiten zu sehen und diese auch zu tun. Die Klugheit ist also eine geistige Fähigkeit in uns, die wir erlernen und einüben können, und die darüber wacht, dass wir in konkreten Fällen unseres Lebens angemessen entscheiden und vorausschauend handeln.

Die Bibel bietet uns genügend Beispiele kluger Menschen: So z.B. ist Salomo im Alten Testament das Idealbild eines klugen Mannes, der bei seinem Antritt als König seinen Herrn nicht um langes Leben, nicht um Reichtum oder um den Tod seiner Feinde bittet, sondern um ein „hörendes Herz, damit er das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht“ (1 Kö, 3, 9f.). Und er regiert bekanntlich mit einem weisen und verständigen Herzen.

Geht es um die Klugheit, dann erinnern wir uns vor allem an die Erzählung im Neuen Testament von den zehn Jungfrauen, die dem Bräutigam mit ihren Lampen in der Nacht entgegengehen. Allerdings verspätet sich der Bräutigam. Fünf der Jungfrauen waren vorausschauend klug genug und brachten genügend Öl als Reserve in ihren Krügen mit, um die Lampen jederzeit am Brennen zu halten. Die anderen fünf Jungfrauen waren nur mit den Lampen gekommen, sie mussten sich also nach dem Ruf, dass der Bräutigam komme, erst nachträglich mehr Öl von den Händlern verschaffen – und so versäumten sie den Einzug zum Hochzeitsfest; sie waren töricht, sorgten also nicht vor und standen schließlich vor verschlossenen Toren (vgl. Mt 25, 1-13). Am Schluss dieser Erzählung erhebt sich der mahnende Ruf zur Wachsamkeit und steten Bereitschaft: „Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde“, wann Er am Ende kommen wird (Mt 25, 13).

Klug sind wir also dann, wenn wir in unserem Leben gute Entscheidungen und gesicherte Vorsorge treffen, und jeweils so vorsorgen, wie es der Mann in der Bibel vorbildlich tut, der sein Haus nicht auf Sand, sondern auf stabile Felsen baut (Mt 7, 24-27); oder so gerüstet sein wie die klugen Jungfrauen, die genug Öl auf Vorrat für den hochzeitlichen Empfang mitgebracht haben. Zum „Klug sein“ gehört ein hohes Maß an eigener und fremder Erfahrung, die wir im Laufe unseres Lebens aufmerksam sammeln können.

Schließlich geht es ja auch darum, seine eigene Vergänglichkeit nicht zu verdrängen, wie schon der Psalmist betend bekennt und damit mahnt: Gott möge uns lehren zu bedenken, dass wir an unserem Lebensende sterben müssen und mit diesem Gedanken mögen wir klug werden, wie es im Psalm heißt: „Unsere Tage zu zählen lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz“, ein Herz voll Klugheit also (Ps 90, 12).

H.T.