800 Jahre Sonnengesang
Vor 800 Jahren hat der schwer kranke Franz von Assisi den ersten Teil eines Textes geschrieben, den wir alle kennen: »Höchster allmächtiger, guter Herr, dein sind das Lob, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen«. Die Hütte ist vollkommen abgedunkelt, Mäuse krabbeln über ihn hinweg. Da hört er die Stimme Gottes und weiß sich – trotz der fürchterlichen Situation, in der er sich befindet – von der Gewissheit getragen, Gottes geliebtes Kind zu sein; Gott ist da – in jeder Lebenslage. Er steht an unserer Seite und quält sich mit uns durch alles Schwere.
Er bittet einen musikalisch begabten Mitbruder, eine Melodie dazu zu schreiben (diese ist nicht erhalten); er schreibt das Lied nicht wie alle kirchlichen Texte damals auf Latein, sondern in seiner Sprache, auf Italienisch. Er kommuniziert mit Gott ganz selbstverständlich in derselben Sprache, in der er denkt, fühlt und mit seinen Freunden redet: in der Sprache des Herzens.
Die ersten Strophen verweisen mit Sonne, Mond und Sternen – dem Himmel – auf Gottes eigenen Bereich; darauf folgen die vier Elemente der irdischen Welt: aus Luft, Wasser, Erde und Feuer/Energie besteht die ganze Mitwelt: Pflanzen, Tiere und Menschen. Die Siebenzahl verweist darauf, dass Himmel und Erde eine untrennbare Ganzheit bilden, vom Schöpfer als Gesamtwerk geschaffen – gut, heilig und geschwisterlich.
Aufgrund einer politischen Auseinandersetzung in Assisi kamen später die Strophe über das Verzeihen und knapp vor seinem Tod die über das Sterben dazu; selbst wenn wir sterben, fallen wir nicht aus der Liebe Gottes heraus. Unser ganzes Leben ist gehalten von Gott. Das letzte Wort, humilitas, verweist uns auf Humus. Dann könnte der Schluss lauten: »Lobt und preist meinen Gott und dankt und dient ihm, indem ihr allem Lebendigen, der Erde und einander verbunden bleibt.«
(Zusammenfassung des Artikels »Aus der Tiefe des Herzens« von Martina Kreidler-Kos in der Zeitschrift »Gottesdienst«, Nr. 17, S. 185–187)
Dem Text auf der Spur
Im Gotteslob finden wir den ins Deutsche übersetzten Urtext (GL 19,2), aber auch daran angelehnte Fassungen (GL 466, GL 864). Das auch uns vertraute »Laudato si« können wir wohl nicht mehr ohne große Bedenken singen, da gegen seinen Verfasser schwer wiegende Missbrauchsvorwürfe bekannt geworden sind.
Wir stehen jetzt im Monat, der uns an unsere Verantwortung für die Schöpfung erinnert und daran, dass uns Gott diese als ein Geschenk anvertraut hat. Nehmen wir den Text wieder einmal her und machen wir uns bewusst, dass das Gebet, die Feier der Liturgie und unsere Verantwortung für die Welt untrennbar zusammengehören.

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Pfarre Hildegard Burjan | Erwin Gruber